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Putin lässt seine Gegner freiGnade wird olympische Disziplin

Gut Wetter für Olympia in Sotschi: Freiheit für Chodorkowski und Pussy-Riot. Wladimir Putin begnadigt einige seiner ärgsten Widersacher.

Lange her: Putin und Chodorkowski bei einem Treffen im Jahr 2002. Bild: dpa

MOSKAU taz | Russlands prominentester Häftling, der ehemalige Milliardär Michail Chodorkowski, könnte schon bald auf freiem Fuß sein. Nach einer mehrstündigen Pressekonferenz ohne Höhepunkte in Moskau rückte der Kremlchef dann doch noch hinter den Kulissen mit einer sensationellen Ankündigung heraus.

In allernächster Zeit werde er die Begnadigung Michail Chodorkowskis unterschreiben, sagte Putin und gab sich seinem Intimfeind gegenüber von einer mitfühlenden Seite. Chodorkowski habe eine kranke Mutter, sagte Putin. „Er hat mehr als zehn Jahre in Haft verbracht. Ich glaube, diese Entscheidung kann man treffen.“

Die Ankündigung des Kremlchefs sorgte zunächst für Verwirrung in Moskau. Bislang war von einem Gnadengesuch des Ex-Yukos-Chefs nichts bekannt. Vielmehr hatte sich der seit 2003 einsitzende Häftling gesträubt, ein solches einzureichen, da dies einem Schuldeingeständnis gleichgekommen wäre oder zumindest als solches aufgefasst worden wäre.

Laut Putin hat Chodorkowski das Gesuch erst vor Kurzem eingereicht. Er, Putin, habe schon häufiger darauf hingewiesen, dass Michail Chodorkowski nur ein entsprechendes Papier in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage unterschreiben müsse. Chodorkowski habe dies aber verweigert. „Vor Kurzem wandte er sich aber doch mit der Bitte um Begnadigung an mich“, sagte Putin. Chodorkowski habe humanitäre Gründe angeführt.

Begnadigung auch ohne Schuldeingeständnis möglich

Chodorkowskis Anwälte Wadim Kliuwgant und Karina Moskalenko waren in die Angelegenheit gar nicht eingeweiht worden. Sie hätten keine Kenntnis von einem Gnadengesuch, erklärten beide erstaunt. Unstimmigkeiten gab es aber auch auf der Gegenseite. Der Sprecher des Kremls und der Vorsitzende des Dumaausschusses für Gesetzgebung widersprachen sich mehrfach. Setzt die Begnadigung nun ein Schuldeingeständnis voraus oder nicht? Kliuwgant verwies darauf, dass Präsident Putin auch ohne Vorbedingungen das Recht zur Begnadigung habe.

Wäre das Schuldeingeständnis Voraussetzung für eine Freilassung, wäre der Kreml aus dem Schneider und der Vorwurf eines politisch motivierten Hintergrundes der beiden Verfahren gegen Chodorkowski vom Tisch. Dass sich der Herausforderer Putins darauf einlassen könnte, wird von vielen Beobachtern aus dem oppositionellen Spektrum bezweifelt.

Dem Häftling war schon die Rolle eines Märtyrers zugeschrieben worden. Offensichtlich möchte Chodorkowski aber lieber in Freiheit sein, als im Gefängnis zu verfaulen, wie es die Gralshüter der reinen Leere verlangen, meinte ein politischer Beobachter in Moskau.

Putin will nicht alleine feiern

Wladimir Putin ist damit zum Jahresende ein Coup gelungen. Um Michail Chodorkowski freizulassen, musste der Kremlchef zwar über seinen Schatten springen. Die Kritik an seiner autoritären Innenpolitik dürfte aber schwächer werden. Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Sotschi im Februar hat der Präsident einige Barrieren beiseitegeräumt, die die politische Elite des Westens davon abhalten könnte, zu den Spielen zu reisen.

Mit der Verabschiedung eines Amnestiegesetzes machte die Duma den Weg frei, auch die beiden Frauen der Punkband Pussy Riot aus der Haft zu entlassen. Die zweijährige Haftstrafe für Nadjeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina wäre ohnehin im März zu Ende gewesen. Die beiden Performance-Künstlerinnen hatten im Februar vor zwei Jahren in der Christus-Erlöser-Kirche in Moskau ein Punkgebet gegen die Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml gehalten und damit den Schulterschluss zwischen Kirche und Kreml kritisiert.

Unter die Amnestie fallen auch die 30 Greenpeace-Aktivisten, die im September in der Barentssee festgenommen worden waren. Sie hatten versucht, eine Bohrplattform des Gasgiganten Gazprom zu kapern. Auf der gestrigen Jahrespressekonferenz machte Putin kein Hehl daraus, dass das harte Vorgehen den Umweltaktivisten eine ewige Lehre sein solle.

Auch acht wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagte Demonstranten werden die Untersuchungshaft verlassen dürfen. Sie hatten am 6. Mai 2012 gegen die Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml protestiert und waren unter fadenscheinigen Anschuldigungen für anderthalb Jahre in Sicherheitsverwahrung genommen worden.

Offensichtlich will Wladimir Putin bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi nicht mit dem weißrussischen Tyrannen Alexander Lukaschenko und den zentralasiatischen Autokraten alleine repräsentieren. Schließlich gehören die ohnehin schon zur neuen russischen Zollunion.

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8 Kommentare

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  • G
    gast

    Wenn die Spiele vorbei sind, wird Putin wieder was einfallen, um diese Leute wieder in den Knast zu bringen.

  • HS
    Hari Seldon

    @goldammer:

     

    Nun, zufälligerweise war ich Augenzeuge von 30.09. in Stuttgart in Stuttgart. Im Vergleich zu den Anti-S21 Randalierers sind die Fußball-Hooligans nette und höfliche Damen und Herren aus Cambridge. Und was noch viel schlimmer ist: Jugendlicxhe wurden für die egoistischen wirtschaftlichen und politischen Einzelinteressen von sehr wenigen Nutznießern VORSÄTZLICH in die Gefahrenzone geschickt. Darüber wird leider nicht gesprochen, weil die Nutznießer sehr gute Beziehungen zu den Medienschwester und Brüder haben. Nur zu Ihrer Info: Beim "Wiederstand" gegen S21 geht es um hauptsächlich steinreche Immo-Besitzer in Stuttgart, welche mit Daimler 300 und Porsche aufwärts zu demonstrieren fahren: Genau die richtige Zielgruppe für TAZ.

  • Wir werden jetzt erst einmal eine autoritäre Koalition in Deutschland erleben. Bei uns darf man vor den Wahlen alles versprechen und nach den Wahlen das Gegenteil tun. Das ist dann demokratisch? Putin hat keine Amnestie versprochen, jetzt macht er sie. Ohne Genehmigung aus Berlin oder Brüssel! Das bringt "aufrechten Demokraten" im Westen natürlich auf die Palme. Aber ich kann sie beruhigen: Wer Polizeibrutalität sehen möchte, kann sich die Videos von Stuttgart 21 ansehen oder die vom Vorgehen gegen Blockupy-Aktivisten in Frankfurt. Die Grünen Stadtregierer hatten dafür Sondereinheiten mit besonderer Brutalität geordert, aber sehen Sie selbst. Die „wundersamen Demokraten“ müssen auf nichts verzichten. Mal ganz ohne Ironie: Auch ein Blick auf das Verfahren in Dresden gegen den Jenaer Pfarrer König zeigt, dass Deutsche kein Recht haben, dem Ausland irgendwelche Rechts- Ratschläge zu erteilen. Frau Roth von den Grünen könnte sich ja mal um das deutsche Rechtssystem kümmern. Hier werden Geständnisse von Gefangenen erpresst. Aber dafür ist sie schon immer zu feige gewesen…

    Und unser neuer SPD- Außenminister ist auch wie ein losgelassener Polit-Schimpanse aufgetreten.

    • K
      Kimme
      @yyyy xxxx:

      Herr Golhammer schwingt mal wieder den russischen Propagandahammer. Anscheinend auch im Osten nichts neues. Langsam frage ich mich, ob sie aus Russland bezahlt werden. Jeder Artikel der zu Russland oder Putin erscheint, wird von Ihnen mit Rechtfertigungen für die Übergriffe der russischen Staatsmacht auf die eigenen Bevölkerung versehen.

      • D
        Denis
        @Kimme:

        Genauso ist es, immer wieder dieselbe Leier, ich gähne nur noch, wenn ich die Kommentare der Putinisten sehe. Wenn es wenigstens kreativ erzählte Märchen wären, aber so...

    • @yyyy xxxx:

      Dem könnte man zahllose Beispiele anfügen. Danke! Nichtsdestotrotz ist die Menschrechtslage in Russland haarsträubend. Was man aus linksalternativen Kreisen hört ist erschütternd.

    • @yyyy xxxx:

      danke Herr Bernd Goldhammer, dem ist nichts hinzu zufügen, genau so sieht es aus........

  • "Die Kritik an seiner autoritären Innenpolitik dürfte aber schwächer werden. " - Sicher, so lange wie deutsche Medien gemeinsame Sache machen mit unserem politischen und ökonomischen "Partner" Putin u. damit die Tscherkessen samt ihrer Proteste gegen Sotschi 2014 beharrlich ignoriert werden...da glaubt man dann nur zu gerne die russische "gnädige" Haltung. Es fehlt auch in Deutschland eine Gegenöffentlichkeit, die das Verschweigen und Vertuschen eines kolonialen Völkermordes nicht duldet: https://www.change.org/petitions/mr-joachim-gauck-president-of-germany-deutscher-bundespr%C3%A4sident-almanya-cumhurba%C5%9Fkan%C4%B1-sochi-2014-include-circassians-in-public-debate-tscherkessen-in-%C3%B6ffentliche-debatte-einbeziehen-%C3%A7erkesler-de-g%C3%BCndeme-al%C4%B1nmal%C4%B1#