Neues aus der Evolutionstheorie: Versteinerte Fledermaus löst Rätsel
Der Vergleich von jahrmillionenalten Fossilien zeigt: Zuerst konnten die Flugsäuger fliegen, erst dann jaten sie mit Ultraschall und Echoortung nach Insekten
taz/dpa Die Überreste einer mehr als 52 Millionen Jahre alten Fledermaus lösen ein vieljähriges Rätsel. Was war zuerst da, fragten sich schon seit langem viele Fledermausforscher: Konnten die Säugetiere zuerst fliegen und entwickelten dann ihre Organe für die Echoortung? Oder war es umgekehrt? Eine dritte Hypothese ging davon aus, dass sich im Laufe der Evolution beide Fähigkeiten parallel entwickelten. Ein internationales Forscherteam aus den USA, Kanada und Deutschland hat jetzt das Rätsel aufgeklärt. Sie untersuchten das älteste bisher gefundene Fledermausfossil und verglichen die Ergebnisse mit einem etwas jüngerem Fund. Der ältere Fund, die Überreste einer 52 Millionen Jahre alten primitiven Fledermaus, die vor fünf Jahren im US-Bundesstaat Wyoming gefunden wurden, zeigt, dass die Tiere noch keine Organe für die Echoortung besaßen.
Die Ergebnisse der Wissenschaftler, zu denen auch Jörg Habersetzer vom Frankfurter Forschungsinstitut Senckenberg gehört, sind im britischen Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Habersetzer und sein amerikanischer Kollege Gregg F. Gunnell, von der Universität Michigan, präsentierten in Frankfurt am Main das in hellbeigem Gestein erhaltene, handtellergroße Skelett der Fledermaus. Der Fund sei ein wichtiger Mosaikstein in der Entwicklungsgeschichte der Säugetiere.
Onychonycteris finneyi, die vor 52,5 Millionen Jahren in einer tropischen oder subtropischen Umwelt an einem großen See lebte und sich von Insekten ernährte, konnte zwar fliegen, aber sich noch nicht mit Ultraschall und Echoortung orientieren. Das zeigten Vergleiche mit den in der südhessischen Ölschiefergrube Messel gefundenen Fledermäusen, berichtete Habersetzer. Die Flugsäuger aus Messel lebten rund 5 Millionen Jahre später und verfügten bereits über die Echomethode.
Ihr in Wyoming gefundener Vorfahr war laut Habersetzer ebenfalls eine ganz typische Fledermaus, das Skelett weise aber deutliche Unterschiede auf. Die sehr kleinen Innenohren, die Form der Gehörknöchelchen und der schwache Aufhängeapparat des Kehlkopfes sind für die Wissenschaftler Beweise, dass Onychonycteris finneyi sich noch nicht per Echoortung mit Ultraschalllauten orientieren konnte. Sie hatte kurze Flügel und sehr lange Hinterbeine mit einer Flugmembran zwischen den Zehen. "Sie ist wahrscheinlich mit starkem Flattern geflogen, die Membran hinten diente als stabilisierendes Segel", sagte Habersetzer. Wie sie sich orientierte und ihre Beute fing, ist allerdings nicht klar. Möglich wäre es, dass sie tagaktiv war, das Restlicht der Dämmerung nutzte oder auch nachts nach Gehör jagte wie Eulen, die auf diese Weise in der Dunkelheit Mäusen und anderen Tieren nachstellen.
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