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Proteste in PortugalPolizisten machen Randale

Vor der Verabschiedung des Sparetats für 2014 spitzt sich die Lage in Portugal zu. Selbst Polizisten protestieren und schaffen, was sonst noch niemandem gelang.

Unter Kollegen: Polizist im Dienst (hinten) mit Polizist außer Dienst (vorne) vor dem Parlament in Lissabon. Bild: ap

LISSABON dpa | Nach einer Protestkundgebung von Tausenden Polizisten und Angehörigen anderer Sicherheitsbehörden hat Portugals Staatspräsident Anibal Cavaco Silva die Menschen im Euro-Krisenland zur Ruhe aufgerufen.

„In diesen für Portugal gar nicht einfachen Zeiten, in denen wir jeden Tag von den Gläubigern beobachtet werden, muss Ruhe bewahrt werden“, sagte Cavaco am Freitag in Lissabon. Die Polizei-Kundgebung hatte derweil eine erste bedeutende Konsequenz: Paulo Valente Gomes, Chef der städtischen Polizei PSP, trat zurück.

Am kommenden Dienstag will die Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho den umstrittenen Etat für 2014 trotz der vielen Proteste verabschieden. Darin sind Sparanstrengungen von 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorgesehen – seit 1977 hat es keine strengeren Vorgaben für den Staatshaushalt gegeben.

Bei ihrem Protest gegen die Sparpläne hatten Polizisten, Gendarmen, Grenzbeamte und Gefängniswärter am späten Donnerstagabend in Lissabon Absperrungen niedergerissen und bei geringem Widerstand der wachhabende Beamten den Treppenaufgang zum Parlament gestürmt. Das war in Portugal bisher noch keiner Protestgruppe gelungen.

Demonstrationen von Soldaten umstritten

Die Sozialdemokratische Partei (PSD) von Passos Coelho kritisierte diese Zwischenfälle als „bedauerlich“. Man werde Innenminister Miguel Macedo dazu und auch zum Rücktritt des Polizeichefs wohl demnächst im Parlament befragen, erklärte PSD-Abgeordneter Fernando Negrão.

Die von Sicherheitsgewerkschaften geforderte Teilnahme von Streitkräfte-Angehörigen an den Kundgebungen gegen die Sparpolitik schloss Verteidigungsminister José Pedro Aguiar-Branco unterdessen aus. „Die Streitkräfte kennen ihre Rolle in der Demokratie sehr gut“, sagte er.

Neben Präsident Cavaco rief auch Justizministerin Paula Teixeira da Cruz zur Ruhe auf. Sprecher von Polizeigewerkschaften warnten allerdings, man werde so lange protestieren, bis die Mitte-Rechts-Regierung ihre Sparpläne aufgibt oder zurücktritt.

Mit einem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket hatten die EU und der Internationale Währungsfonds Portugal 2011 vor einem drohenden Bankrott bewahrt. Im Gegenzug verpflichtete sich Lissabon zu einem strengen Sanierungsprogramm, in dessen Rahmen das ärmste Land Westeuropas bereits auf das dritte Rezessionsjahr in Folge steuert.

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3 Kommentare

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  • L
    Lowandorder

    ff

     

    Andere Länder Europas zeigen in unterschiedlicher Form und Weise, wies geht.

     

    Unser FDJ-Winkelement wäre gut beraten,

    da genauer hinzuschauen.

    Nicht umsonst ist sie mit ihrem Versuch,

    den GazPromGerd-Hartz-IV-Verbrecher-Song

    Agenda 2010 zum weiteren Exportschlager zu machen

    EU-weit gescheitert

    (Stinkefinger-Melodie: " nur die allerdümmsten Kälber…").

     

    Und Holland - z.B. - fliegt es um die Ohren, eine Schülerin mit Polizeigewalt aus einem Klassenfahrtreisebus zu kidnappen;

    und die Rente62 zu schleifen - kriegt er auch auf's Maul.

     

    Die Trias - Liberté, Fraternité, Egalité - lassen wir es einfach nicht mehr zu, das diese eingemauerte Kaste der Mächtigen in zerstörerischer Gewalt damit Fußball spielt!

    Wer - wenn nicht wir!

  • L
    lowandorder

    Ja - da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich.

     

    Doch nur bedingt.

    Deutsche Staatsträger herchehört und schaut mal hin.

     

    Das - ist nach Salazar ein Land mit Tradition.

    Hier streikte schon die Dritte Gewalt, die Richter - bis in die Spitze und erfolgreich, indem sie die Gleichheit der Gewalten einforderten - auch in der Besoldung.

     

    In Zeiten sich verschärfender sozialer Verwerfungen dank einer nur scheinbar in Agonie verfallenen Politkaste - wie sie sich schamlos grad in den Koalitionsverhandlungen zeigt - muß das Post-NS-Zeit-Einheitsgedusel neu durchdacht und auf den Prüfstand gestellt werden.

     

    Streik als probates Mittel der Auseinandersetzung um der Poltikerkaste " Feuer unterm Frack zu machen" - aber auch die Gewerkschaft " wachzuküssen" - ist sicher ein Prüfstein.

     

    Aber - FDP-Abwählen - sie zu verachten, reicht erkennbar nicht, den Prinzipien und Werten dieser res publica, dieser Republik wieder Geltung zu verschaffen;

    nein - die öffentlichen Fragestellungen müssen wieder in vollem Umfang zur Sache aller Bürger dieses Staates wie der EU gemacht werden;

    der schamlosen und letztlich verfassungswidrigen Ausplünderung zugunsten einer extremistisch (a)gierenden Minderheit muß wirksam ein Riegel vorgeschoben werden.

  • In portugiesischen Polizeikreisen weiß man offensichtlich, was eine Gewerkschaft ausmacht. Ich denke gerade an das opportunistische Pedant hierzulande.