Der sonntaz-Streit: Anonyme Kommentare verbieten?
Die „Huffington Post“ will eine Klarnamenpflicht für ihre User einführen. Kann das die Debattenkultur im Internet bereichern?
Gut 25.000 Kommentare sollen es sein, die pro Stunde unter die Artikel der Huffington Post geschrieben werden. Seit die Website vor acht Jahren online ging, wurden dort mehr als 260 Millionen Kommentare hinterlassen. Nicht nur ein ausgefeilter Algorithmus, sondern auch 40 Personen sind dafür verantwortlich, diese Beiträge auf unangemessene Inhalte hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu entfernen.
Arianna Huffington, der Herausgeberin des bekannten US-Nachrichtenportals, reicht das jedoch nicht, da Trolle – Personen, die unsachliche und provokante Kommentare verfassen – zunehmend aggressiver würden. Ab Mitte September will die Huffington Post daher keine Nutzerregistrierung ohne Klarnamen mehr zulassen. User sollten zu ihren Aussagen stehen und sich nicht hinter der Anonymität verstecken, begründet Arianna Huffington ihre Entscheidung. Auf diese Weise solle eine zivilisiertere Diskussionskultur unter den Artikeln gefördert werden.
Die „Generation Facebook“ sei es ohnehin gewohnt, Beiträge unter dem eigenen Namen zu veröffentlichen, erklärte Huffington bereits 2010. Das Bedürfnis nach Privatsphäre nämlich sei bei der jungen Generation weit weniger ausgeprägt als bei den Älteren.
In einem Artikel für die Bloomberg Business Week verweist auch der amerikanische Technik-Journalist Mathew Ingram auf Facebook. In dem sozialen Netzwerk besteht bereits eine Klarnamenpflicht. Dennoch käme es dort immer wieder zu unflätigen Kommentaren. „Ich glaube, wir machen einen großen Verlust, wenn wir von den Leuten verlangen, ihre Identitäten preiszugeben, bevor wir uns anhören, was sie zu sagen haben“, schreibt Ingram.
Zweimal überlegen, was man schreibt
Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob fehlende Anonymität im Netz die Online-Debattenkultur bedroht oder befördert. Wenn User gezwungen sind, unter ihrem echten Namen aufzutreten, überlegen sie sich eventuell zweimal, was sie schreiben. Vielleicht überlegen sie sich jedoch auch zweimal, ob sie überhaupt noch schreiben.
Während man bei der Huffington Post hofft, dass Diskussionen auf diese Weise produktiver werden und Nutzer somit motivierter sind, sich daran zu beteiligen, bekennt man sich beim kanadische Online-Magazin rabble.ca klar zur Anonymität im Netz. „Wenn es keine geheimen Wahlen mehr gäbe, würde die Wahlbeteiligung sinken“, heißt es in einem Statement der rabble-Redaktion „Die Beteiligung an Online-Diskussionen würde in ähnlicher Weise leiden.“
Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 31. August/1. September in der neuen taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Auch die Huffington Post räumt ein, dass Anonymität für einige ihrer User sehr wichtig sein könnte. „Uns ist klar, dass viele Menschen ihren Namen aus beruflichen oder persönlichen Gründen nicht mit einem Kommentar in Verbindung bringen können“, schreibt der Redaktionsleiter Jimmy Soni in einem Beitrag für die Huffington Post. Wie genau die Anonymität solcher Personen gewahrt werden soll, wird in seinem Statement jedoch nicht hinreichend erläutert.
Hemmt fehlende Anonymität im Netz die Diskussionskultur oder befördert es sie? Wäre ein weniger anonymeres Internet freundlicher und produktiver? Wird man durch Klarnamnenpflicht die Trolle los? Würden Sie selbst sich noch an Online-Diskussionen beteiligen, wenn Sie dabei in jedem Fall Ihren Identität preisgeben müssten? Sollten anonyme Kommentare im Netz verboten werden?
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 31. August/1. September. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 28. August, eine Mail mit Name, Foto und Alter an: streit@taz.de
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