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Kommentar Rote Linie in SyrienNichtiges Geschwätz

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Deutscher Außenpolitik mangelt es an Verbindlichkeit. Frankreich demonstriert derweil, wie klare Ansagen aussehen könnten.

Bundesaußenminister Westerwelle, deklamierend Bild: dpa

F rankreich, lesen wir immer wieder, ist der kranke Mann Europas, die lahme Ente, die es einfach nicht schafft, Billigheimerreformen à la Allemagne durchzuziehen und so aus der Krise zu kommen.

Immerhin aber hat Frankreich einen Außenminister – und der kann sich sogar so ausdrücken, dass man ihn versteht: Sollten sich die Berichte über einen Chemiewaffeneinsatz in Syrien bestätigen. müsse die internationale Gemeinschaft „mit Macht“ reagieren.

Und das muss heißen: Militärisch.

Die syrische Opposition besteht sicher nicht nur aus Sympathieträgern. Aber auch diejenigen Rebellen, denen der Westen misstraut, so wie er einst manchem gegen die Russen in Afghanistan kämpfenden Kriegsherren hätte misstrauen sollen, haben ein Recht darauf, nun zu erfahren, woran sie sind.

Gibt es eine „rote Linie"? Oder war das nur leeres Geschwätz? Wenn aus Washington und Berlin wenigstens das klare Signal käme: Egal, was Assad tut (oder was ihr tut): Wir werden nicht eingreifen – dann könnte jeder, der heute für ein nach seinem Geschmack besseres Syrien kämpft, sich entscheiden, ob ihm dieser Kampf das Leben wert ist oder nicht. Es ist allemal besser, sich eine Niederlage einzugestehen als auf Hilfe zu warten, die nicht kommen wird.

„Staaten“, schreibt Josef Joffe in der aktuellen Zeit, „agieren in der Aussenpolitik, Deutschland deklamiert sie.“ Anschließend nimmt Joffe die Gemeinplätze ins Visier, die Aussenminister Westerwelle wie ein Pfarrer in der Morgenandacht des Deutschlandfunks durch die Welt trägt.

Wer nur Nichtigkeiten zu sagen hat, der könnte genausogut schweigen; und wer schweigt, stimmt bekanntlich zu. So betrachtet steht die deutsche Aussenpolitik auf der Seite Assads. Und die einzige Hoffnung für die Syrer liegt darin, dass Frankreich sich auch in diesem Punkt nicht an Berlin orientiert – sondern an den eigenen Werten.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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23 Kommentare

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  • S
    Simon

    Die Situation ist doch die folgende:

     

    In Frankreich und Deutschland gibt es Terrorzellen. Insbesondere hier entwickeln die Leute Strategien für ihre mationale und religiöse Politik. Die meisten studieren hierzulande Informatik, Maschinenbau, Flugzeugtechnik und alle Fächer, wo man tatsächlich können zeigen muss und wissenschaftliche Gültigkeit(!) existiert.

     

    In Syrien sind diese Zellen, die man schon aus Mali kennt, existent. Die Gefahr für Frankreich, und damit auch für Deutschland, liegt also darin, wenn diese Länder "aufwachen" und sich auch wirtschaftlich erholen und gleichzeitig ihre Interessen national noch verstärkter über die hier vertretenen "Minderheiten" umsetzen. Ähnlich auch in der Türkei, wo sich hinter der Fassade des Islamismus nicht mehr dumpfe Kritik verbirgt, sondern hauptsächlich wirtschaftliche Erholung und Befreiung wirtschaftlicher Unfreiheit. Die Masse der Kämpfer wird logischerweise nur instrumentalisiert durch die Propaganda.

     

    Darum kann man insbesondere die Französische Position verstehen.

  • S
    Simon

    Hollande ist Sozialist, also ein herzensguter Mensch. Hurra, hinein ins Glück! Der marodierende Sozialismus saugt sich fett, denn Gier ist es nur, wenn die Leute ihr eigenen Lohn behalten wollen und das gegen mein Empfinden verstößt!

  • GS
    Günter Scholmanns

    Die Kaltschnäuzigkeit des Kommentators dürfte nicht zu überbieten sein.

    Andererseits lehnt sie sich naturgemäß mainstreamschnittig an schon vorherrschende Mentalitätsreviere an,

    und man hat das Gefühl, sie schaut gewissermaßen aus einer aufmerksamen Lauerstellung zu, was nun alles so passieren wird.

    Darum wäre vielleicht mal die Wirkungsmächtigkeit von Leserbriefen unter die Lupe zu nehmen.

    Alle die, die hier auf dieser Art Spielwiese für heftige Textergüsse erregter Leserbriefschreiber sich mächtig ins gut gemeinte Zeug

    gegen diese entartende Kriegstreiberei gelegt haben, wird doch durch diese schnöde Kaltschnäuzigkeit klar gemacht, wer denn

    hier die eigentliche Interpretationsmacht über die eigentlich maue Informationslage,

    durch seinen persönlich zur Verfügung gestellt bekommen habenden Veröffentlichungsraum einnehmen kann.

    Wir erregten Gegner einer Vervielfältigung der Leichenberge, kriegen doch nun hier klar gemacht, dass wir hier, so zwischen 5 bis wenn´s hoch kommt 30 Leutchen sind, die keine Chance haben gegen

    die zigtausendfache Auflagenstärke der Zeitung, die damit direkten Zugang zu der Meinungserzeugung bei der Mehrzahl ihrer hierzu wohl Schweigenden Leserschaft besitzt.

    Denn was ich hier so erlebe ist, dass die echten Kriegsgegner sich hier häufiger zu Wort melden, als irgendwelche tonangebenden Kriegsbefürworter in der Leserschaft.

    Es ist echt die Frage, ob wir uns auch weiterhin, hier in dieser intellektuellen Akrobat-Schön-Arena, an der Nase herumführen lassen wollen,

    und uns dabei die Möhre: “Bereichern Sie uns mit Ihrem Gedankenreichtum“ vor die Nase halten lassen wollen?

  • Eine klare Antwort an den Herrn Joffe und seine Freunde:

     

    https://www.youtube.com/watch?v=TM1wwhqfNAo

  • „müsse die internationale Gemeinschaft „mit Macht“ reagieren.“:

     

    Daß dies militärisch heißen muß ist reines Wunschdenken von Ambros Waibel.

     

    Der französische Außenminister hat dies auf Nachfrage im TV-Interview auch nicht bestätigt.

     

    Auf Seiten der „Rebellen“ in den Krieg einzugreifen, heißt: da kann man sich gleich mit AlQaida verbrüdern.

    Denn wie will man denn im Kriegsgeschehen wirksam zwischen „guten“ und „bösen“ Rebellen unterscheiden?

     

    „ So betrachtet steht die deutsche Aussenpolitik auf der Seite Assads.“:

     

    Immer noch besser als bei den Djihad-Kämpfern.

     

    „ Und die einzige Hoffnung für die Syrer liegt darin, dass Frankreich sich auch in diesem Punkt nicht an Berlin orientiert – sondern an den eigenen Werten.“:

     

    Unglaublich wie Ambros Waibel hier meint für „die Syrer“ sprechen zu können. Als gäbe es keinerlei Unterstützung für Assad in der Bevölkerung.

     

    Unglaublich auch wie er die kraftmeierische Kriegsrhetorik Frankreichs bejubelt.

  • UW
    Uwe W.

    Ach, die "internationale Gemeinschaft" müsse dann militärisch reagieren? Das schreibt einer, der vermutlich nie eine Uniform getragen hat, nicht wahr? Sie müssen nicht befürchten in ein Land geschickt zu werden, welches sie kaum auf der Landkarte finden, welches sie auch nicht im geringsten interessiert, welches uns aber auch nie angreifen wird und keine Bedrohung darstellt. Es ist bei weitem nicht die "Gemeinschaft" die da militärisch reagiert, sondern nur einige wenige arme Würstchen, die den Kopf hinhalten dürfen, für eine kaltschnäuzige Politik, die von der Waffenlobby geschmiert wird und ihren Hofschranzen, die sich Journalisten nennen! Ein Land, was keine Bedrohung ist, kann kein Ziel für eine Verteidigungsarmee sein! Wozu haben wir eigentlich noch eine Verfassung? Zu interessieren scheint das ja mittlerweile niemanden mehr. Ständig sollen wir unsere Soldaten irgendwo hinschicken, die dann... ja um was eigentlich zu tun? Was glauben Sie, wieviele Menschen den Stuss von Frauenrechten und Brunnebau heute noch glauben? Oder von Demokratie und Freiheit, wenn man zum Irak schaut oder sich den Herrn Karsai und seine Clique, dem Wahlbetrug und seine Freunde aus dem Opiummgeschäft so anschaut? Vom Schreibtisch aus lassen sich solche Forderungen leicht formulieren, die Konsequenzen tragen dann ja andere.

  • B
    bellezist

    Klar, ganz genau, Herr Ambros, sie sprechen mir aus dem Herzen! Und sie bitteschön in vorderster Front, den Macht, muss auch militärisch heissen! Nicht nur mit dem Word-Programm rumfummeln, nein, mit dem Sturmgewehr! Zum Kotzen! Ist das die TAZ? Oder die Bild?

  • G
    gast

    Welche Werte sieht Frankreich denn, ÖL ??

     

    Warum sollen wir einen Krieg anzetteln ? Wer soll ihn bezahlen der Steuerzahler ? Wie viele Soldaten sollen wir noch opfern ?

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die syrische Beobachtungsstelle fuer Menschenrechte ist vor Ort u a vertreten mit Aerzten und fand bislang keine stichhaltigen Beweise fuer einen Chemiewaffenangriff (siehe faz). Allerdings 170 Tote, keine 1300 wie gemeldet.

  • D
    Desillusionist

    Ich wette meinen Allerwertesten darauf, daß Hr. Waibel keinen Wehrdienst geleistet hat und auch bei anderer Gelegenheit nie selbst gesehen hat, wie Einschüsse militärischer Waffen überhaupt aussehen.

     

    Mir fällt in meinem Bekanntenkreis immer wieder auf, daß es vorwiegend Menschen ohne jegliche militärische Erfahrung sind, die am schnellsten und lautesten nach Militäreinsätzen rufen. Wer die BW-Zeit hinter sich hat, ist i.d.R. besonnener.

  • S
    Student

    Warum drückt die taz die "Werte" der Kriegstreiber und ihrer Propaganda denn nicht mal in Euros und Dollars aus? Oder in Todesopfern durch imperialistische Kriege, allein in den letzten 15 Jahren?

  • T
    Trommelfeuer

    the times, they are changing

     

    Noch vor einem Jahrzehnt brauchte die Bush-Gang einen curveball - heute reicht ein trübes Hirn hinter Glas. "Amboss, geh du voran wo du doch so schön die Trommel zum Streite schlägst."

  • Wenn man schon den Außenminister mit den Worten "Nichtiges Geschwätz" zur Schlagzeile macht, sollte man mehr Substanz für diese implizite Behauptung bringen als die Tatsache, dass der Große Joffe auch ein paar kritische Worte gefunden hat. So ist das kein Kommentar sondern ein inhaltsleeres Gekeife.

     

    Im Übrigen sehe ich keinerlei Anlass für verbale Kraftmeierei in Richtung Syrien angesichts von ein paar verwackelten Bildern aus einer Handy-Kamera, die erst als Grundlage für echte Handlungen taugen können, wenn sie bestätigt sind. Was der französische Außenminister da macht, ist nicht mehr als POTENZIELLE Aufregung kraftvoll zu artikulieren. Mir ist nicht klar, inwieweit das weniger nichtig sein soll, als die hinhaltenden Floskeln, die Westerwelle von sich gibt. Es ist nur mehr Show. Die können die Rebellen in Syrien bestimmt ganz toll gebrauchen...

     

    ps "mit Macht" heißt übrigens mitnichten verbindlich "militärisch", sondern nur, wenn Hollande das am Ende so entscheidet. "Militärisch" heißt verbindlich "militärisch".

  • HB
    Harald B.

    Ich fasse es nicht- die taz auf der Seite von Frankreich, einem der übelsten Kriegstreiber der Gegenwart. Man denke mal an Liyben (funktionierenden Staat zerbombt und zerstört) und Mali.

  • RW
    Rolf Walther

    Diese fortwährende Kriegspropaganda der taz zu Gunsten des Jihad in Syrien halte ich für völlig blind, blauäugig und verfehlt. Ein Schelm wer böses dabei denkt, dass ausgerechnet in dem Moment,in dem die syrische Regierung die UN-Inspektoren zur Frage Giftgaseinsatz in's Land lässt, erneut Giftgas in den umkämpften Gebieten auftaucht.

     

    Wir sollten der letzten verbliebenen säkularen Republik im arabischen Raum unter die Arme greifen, auch wenn der Präsident Assad heißt, um zu verhindern, dass Erdogan mit den Muslimbrüdern eine islamische Republik etabliert, oder noch schlimmer, die Saudis mit den Jihadisten.

     

    Rolf Walther

    Ohlstadt

  • 0
    03AHJ_VusjHYUArpy6n05GuGXiv0BOixpOUKSpVIBqtAEZ6AVYIxM2bnh6UumYiTFcW4LFjbF-ycJRSPW3qHgKfrU801OoxSUMTx6m3ZqLT0_09YOSSyA1e6-17wXOMn1h1PPSa88Zj6CT

    Ich habe Angst !!! Frankreich und die USA sind dabei den 3. Weltkreig zu provozieren. Wenn Assad Giftgas eingesetzt haben sollte, ist das ein Selbstmordkommando. Der "Giftgaseinsatz" nutzt doch nur den indutriegesteuerten Militaristen in den USA und den ewig gestrigen in Frankreich. Diese Hetze gegen Assad ist der "Heiße Krieg" nicht mehr der "Kalte". Es geht doch nur um den Zugang zum arabischen Öl. Diesen kranken Geistern in den USA, Frankreich und anderen Militaristen muß fürchterlich auf die Füße getreten werden. Diese Hetze provoziert eine elende kriegerische Zukunft.

  • A
    amigo

    Wieviel hat die BRD bisher eigentlich an diesem Krieg verdient?

    Wie lange soll die Betroffenheitsheuchelei noch andauern, wenn die hiesigen Exporteure des Todes bestimmt auch am Chemieeinsatz ordentlich profitieren?

  • U2
    Urban 2.0

    Und wenn eine Rebellengruppe diese Waffen erbeutet und eingesetzt hat? Dann auf die bösen äh guten äh äh äh ... Freiheitskämpfer/Rebellen/Terroristen.

    Achwas wir hier im Westen können eh alles besser. Schlagen wir den Assad und die Rebellen nieder und nennen das ganze Operation "Kreuzzug 2.0".

  • B
    bernie-eimsbush

    Will die taz jetzt auch die Kriegstrommel gegen Assad schlagen ? Es ist doch überhaupt nicht geklärt, wer die chemischen Waffen benutzt hat. Etwas mehr Zurückhaltung wäre wohl angebracht.,

  • R
    richtigbissig

    Jeder Eingriff im nahen Osten, ob das der Iran oder der Irak war, hat sich fatal für die Menschen ausgewirkt und die Region destabilisiert.

     

    Ob ich ein Fan von Chemiewaffeneinsätzen bin? Das bin ich sicher nicht, aber a) kann das gefaked sein um eben einen Militäreinsatz zu rechtfertigen - b) werden/würden es neue Machthaber dort nicht besser machen.

     

    Auf Assad einzuwirken, erscheint mir die beste Lösung und da ich eigentlich überhaupt kein Fan von Westerwelle bin, muss ich ihm einen Spitzenjob als Außenminister bescheinigen.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Wer mit Al Keida etc versucht, einen Krieg zu gewinnen, hat laengst eine ROTE LINIE ueberschritten. Giftgasdiebstaehle durch Al Keida im nahen Irak wurden durch den CIA aufgedeckt. Bin Laden trieb laengst mit Giftgas Experimente und erledigte seine Haustiere damit.

     

    Frankreich will denen helfen, die sie gerade noch mit Hilfe der Bundeswehr in Mali bekaempften. Die syrische Opposition gilt seit Jahrzehnten als nicht mehr bei Trost inkl. ihrer abenteuerlichen Koalitionen.

     

    Die taz eiert rum wie Frankreich, das grad noch fuer Praesidentenmaschinen den Luftraum sperrte. Manning wurde von Journalisten verraten, wie sowas passieren kann, zeigt das Eiern der taz.

  • B
    Beobachter

    so, jetzt erwarte ich aber auch einen Arikel der einen Ausbau der Bundeswehr und die Anschaffung eines Flugzeugtraegers fordert - das braucht es naemlich um militaerisch eingreifen zu koennen. Ach ja, udn Soldaten auch - die taz sollte Werbung fuer die Bundeswehr schalten - kostenfrei, versteht sich.

     

    Und: shcon jemals die heorie gehoert dass man wenn es grosse innenpolitische Schwierigkeiten gibt, sich auf die Aussenpolitik verlegt und, noch besser, einen krieg anfaenggt?

  • SG
    Schweizer Gast

    Absolut klarer Text. Ob das auch der Pfarrer selbst liest? Oder würde da sein Weltbild von Phrasen und verbalen Luftnummern gekreuzt?