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Grundbesitz in Mecklenburg-VorpommernÖko-Junker im Herrenhaus

Die touristische Nutzung der Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern dient der Regionalentwicklung dieser einsamen Landschaft.

Alte Gemäuer meist am See gelegen, idyllische Landschaften, Ruhe. Hier das Hotel Schloss Ulrichshusen. Bild: imago/Jens Köhler

Du verhältst dich dominant wie ostelbischer Landadel“, schimpft Barbara, als ich sie beim Fahren klar und bestimmt nach links einweise. Dann sind wir hier ja richtig, in Mecklenburg-Vorpommern, dem Land der Gutshäuser und Schlösser. Sie sind nicht sonderlich gut ausgeschildert, die meisten dieser 300 touristisch genutzten Herrengüter auf diesem flachen, menschenleeren Land mit den immer noch grünen, unendlichen Weizenfeldern, den roten Mohnblumen und den einsamen Alleenstraßen, die von Dorf zu Dorf führen.

Mehr als 2.000 herrschaftliche Wohnsitze sind in Mecklenburg zu finden, 1.080 stehen unter Denkmalschutz. Ein Drittel davon wird touristisch genutzt – vom 5-Sterne-Hotel bis zur Heuherberge –, ein Drittel hält sich gerade so, ein Drittel verfällt.

Über Kopfsteinpflaster rumpeln wir zum Gut Ludorf, das gleich neben einer ungewöhnlichen Rundkirche liegt. Ludorf ist ein gutbürgerliches Hotel mit 20 Zimmern und einem großen Park, direkt an der Müritz gelegen. Manfred Achtenhagen, der Besitzer, zugezogen aus Berlin, empfängt uns. Er ist Vorsitzender des Vereins der Schlösser, Guts- und Herrenhäuser Mecklenburg-Vorpommern e. V., ein Lobbyverband für die Vermarktung und Vernetzung der Herrenhäuser.

Urlaub auf dem Gut

Gutshaus Stolpe: Das von der alten Besitzerfamilie als Hotel ausgebaute Gut liegt an der Peene bei Anklam. Gediegenes Ambiente, gute Küche. Ausflüge: Kanutouren auf der Peene oder Wanderungen im naturgeschützten Haff.www.gutshaus-stolpe.de

Gutshaus Ludorf: Das Romantikhotel liegt am Westufer der Müritz zwischen zwei Naturschutzgebieten mit Anbindung an den Müritz-Radweg. Regionale Küche, geschmackvolles Ambiente. Ausflüge: Radtour, naturkundliche Wanderungen, Kanufahren. www.gutshaus-ludorf.de

Gutshaus Gremmelin: Biozertifiziertes Tagungshotel, 10 Kilometer von Güstrow entfernt, mit großem Park am kleinem See. Modernes Ambiente. Gute Küche.www.gutgremmelin.de/biohotel

Herrenhaus Vogelsang: Das neugotische Herrenhaus bei Lalendorf aus dem 19. Jahrhundert ist morbider Ort für Veranstaltungen, Events und Konzerte. www.herrenhaus-vogelsang.de

Gutshaus Linstow: Am Radweg Berlin-Kopenhagen gelegenes geschmackvoll renoviertes Herrenhaus mit Appartments, besonders für Familien mit Kindern geeignet. Großer Garten, Spielplatz, See gleich in der Nähe. www.gutshaus-linstow.de

„Ludorf ist ein typisches Gutsdorf“, erzählt er. „Nach dem Wüten des Dreißigjährigen Krieges war es vorbei mit den Bauerndörfern. Die Dörfer, die Sie jetzt finden, wurden immer um das Gut herumgebaut. Es waren Wirtschaftsgebäude, Ställe, Unterkünfte für die Gutsarbeiter.“

Mecklenburg-Vorpommern ist eine landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaft mit großem Grundbesitz. Selbst die berühmten Mecklenburger Alleen haben die Gutsherren angelegt, um ihre Anwesen zu verbinden. „Auch heute steht und fällt so ein Dorf mit seinem Gutshaus.“ Wenn es saniert wird, ziehe wieder Leben ein. Das habe die Landesregierung noch zu wenig erkannt, beklagt Achtenhagen.

Die LPG hatte hier die Großküche

Barbara beharrt darauf, dass dies sicher den alten „Zoni-Vorurteilen“ gegen das Junkertum geschuldet sei.

Das Schicksal der Häuser nach 1945 ähnelt sich: Sie wurden enteignet, die Eigentümer verjagt und, wo immer möglich, als erste Unterkunft für die Flüchtlinge aus dem Osten genutzt. „Im Gut Ludorf haben damals über 100 Leute gewohnt. Da musste man etwas Privatsphäre schaffen, also habe man die Zimmer für Familien abgeteilt. „Der Not geschuldet, aber nicht zum Besten des Hauses“, sagt Achtenhagen.

Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre gab es das sozialistische Wohnungsbauprojekt auf dem Lande: „So sind die schönen Plattenbauten über die Dörfer gekommen“, bedauert er. Das hatte zur Folge, dass die Menschen dorthin und die üblichen Dorfeinrichtungen in die Herrenhäuser zogen. „Die LPG hatte ihre Großküche hier drin, hier war der Kindergarten, die Gaststätte, der Konsum, der Friseursalon. Betondecken wurden eingezogen. Die haben wir wieder rausgerissen“, sagt Achtenhagen.

Der Verfall der Häuser begann nach der Wende, als es gar keine Nutzung mehr gab, als die Leute fortzogen. Kinder schmissen die Scheiben ein, das Dach wurde undicht, das Haus verfiel. „Diese Häuser haben immer von der Natur gelebt. Früher im Sinne der Landwirtschaft und heute, wenn sie eine Chance haben wollen, im Sinne von Naturtourismus. Wir setzen auf Gäste, die so ein Haus akzeptieren. Das ist kein Businesshotel“, sagt der Hotelier Achtenhagen.

Venezianischer Palast auf der grünen Wiese

Barbara befürchtet nun, dass sie einen Spaziergang an die Müritz machen muss. Wandern sei ein Kindheitstrauma, behauptet sie immer.

Doch wir fahren weiter zur „Mittsommer-Remise der nordischen Guts- und Herrenhäuser“. Ein Tag der offenen Tür. Mitten im grünen Feld, über einen Sandweg erreichen wir Rossewitz, einen alten venezianischen Stadtpalast, ein barockes Ungetüm mitten im Nichts. Die Grundsanierung wurde ausgeführt, das Dach gedeckt, die Treppen sind gesichert. Ein Bau aus Granit und verputztem Backstein, mit Geheimtreppen, römischen Lüftungs- und Heizungssystemen hinter bemalten Wänden, polierten Marmorhandläufen im Treppenhaus, riesigen Kaminen und geschwungenem Stuck.

„Und drum herum nichts als arme Landarbeiter“, sagt Barbara. „Wozu der ganze Pomp?“

Herrenmenschen im Herrenhaus

Weiter nach Zierstorf. Das einfache, muffig riechende Landhaus, in dem der Afrikaforscher Paul Pogge geboren wurde, ist heute Museum. Paul Pogge wollte den Afrikanern „die richtige Landwirtschaft beibringen“, erzählt der Vorsitzende des Heimatmuseums. Afrikanische Skulpturen, Schmuck, alte Zeitungsausschnitte über Paul Pogge, eine Fotoausstellung zur Sahelzone.

Barbara behauptet, die meisten Figuren bekäme man in Afrika auf jedem x-beliebigen Tourismusmarkt.

Alles Bio auf dem Gut Klaber. Neue Fenster, neue Türen, ansonsten sieht das Herrenhaus heruntergekommen aus. In einem Wohnwagen werden rohköstliche Snacks angeboten, im Biogarten eine Führung mit Informationen zu effektiven Mikroorganismen und Terra Preta. „Auf dem Gutshof Klaber haben sich seit wenigen Jahren einige Kunsthandwerker zusammengefunden. Im ehemaligen Pferdestall befindet sich die Schmiede sowie die Buchbinderei, die Werkstatt eines Bildhauers und Steinmetzmeisters“, wird der Hof im Flugblatt angekündigt.

„Es sind Herrenmenschen im Herrenhaus“, weiß Barbara. Sie hat recherchiert, dass sich hier die Scholle verherrlichende, biogeläuterte, sich als Artamanen-Enkel bezeichnende rechtsradikale Ökos angesiedelt haben. Die braune Fratze als „freies Leben“ getarnt. Eine Szene, die sich in der Region Güstrow, wo die NPD 13 Prozent der Stimmen hat, niederlässt. Barbaras Freundin, Lehrerin in Güstrow, klage über die braune Ideologie: über Nazisprüche der ansonsten wohlerzogenen Kinder aus den zugezogenen, kinderreichen Familien.

Von den Öko-Nazis ins trendige Ambiente: Robert Uhde, Organisator der Mittsommer-Remise, wohnt eigentlich in Rostock, betreibt eine Agentur für Zeitgeistentwicklung und besitzt das Gut Vogelsang. „Hier in der Region hat sich eine bunte Mischung angesiedelt“, sagt er. Dazu brauche man Pioniergeist. Dass um Gut Klaber neue Rechte wohnen, habe er auch schon gehört. Der junge, dynamische Uhde im schwarzen Outfit organisiert Konzerte, Mode- und Kunstevents im Keller und dem großen Ballsaal in der Beletage des Hauses. „Zum Beispiel feiern wir hier unser luxuriöses barockes Tafelmahl“, sagt er.

Partykeller mit einstürzenden Fußböden

Vogelsang ist nur grundsaniert. Das reiche erst einmal. „Die äußere Haut, das Dach und die Treppen müssen gesichert sein. Das ist das Wichtigste“, sagt Uhde. Der Verfall hat seine eigene Ästhetik. Im Partykeller stehen am Rande von eingestürzten Fußböden weiße und schwarze Kunstledersofas mit Kerzenleuchtern vor bröckelnden Mauern: ein morbides, trendiges Ambiente für Grufties, Künstler, Partygänger.

Barbara diskutiert auf dem schwarzen Sofa bei Lübzer Bier mit Sebastian. Er arbeitet in der Schweinemast vor Ort, die demnächst um 10.000 Tiere erweitert werden soll. Seine Mutter ist auf dem Gut, damals einer LPG, groß geworden und backt heute noch Kuchen für Events. Barbara meckert über Schweinezuchtanlagen. Sebastian nickt, sagt aber nichts dazu.

Gut Gremmelin, etwa 20 Kilometer weiter, ein Tagungshotel am See: modern, freundlich, bunt, weltoffen – ein biozertifiziertes Hotel mit wechselnden Kunstausstellungen. Unweit der Autobahn, die man bei ungünstigem Wind auch in dem großzügigen Park mit uralten Eichen hört.

Barbara behauptet, dass die Zimmer im Gutshaus an eine bessere Jugendherberge erinnern. Nur weil sie schlicht, aber gut sind. Der Föhn kann sie wieder versöhnen.

Unsere letzte Station ist Gut Linstow. Ein Hotel für Familien. Großer Garten, der See gleich in der Nähe, Spielplatz. Es duftet nach Zimt und Schokolade, nach selbst gebackenem Kuchen. Die Appartements im biologisch renovierten Gutshaus sind geschmackvoll und individuell gestaltet.

Barbara vermisst den Fernseher. Das sei gewollt, sagt Thorsten Dietzel, der aus Berlin hierhergezogene Besitzer. „Wir haben selbst drei Kinder, Fernsehen und Handy stören die Kommunikation, auch unter den Gästen.“ Barbara findet das zu pädagogisch. Trotzdem will sie auf ihrer nächsten Radtour von Berlin nach Usedom, die hier vorbeiführt, wiederkommen. Wegen der schönen Zimmer, dem guten Kuchen – und trotz der lästigen Stechmücken.

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5 Kommentare

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  • C
    Cornelia

    Ich würde mich freuen, die Verfasserin des Artikels bzw. die "BARBARA" kennenzulernen. Ich bin die als "Herrenmensch" bezeichnete Besitzerin des Gutshauses Klaber und fühle mich mit dieser Bezeichnung in keiner Weise realistisch dargestellt. In dem Artikel werden außerdem Gutshof und Gutshaus bunt durcheinandergewürfelt, dabei sind das 2 völlig verschiedenen Dinge. Die Zitate aus dem Flyer sind vom GUTSHOF, dieser gehört nicht mehr zum GUTSHAUS, schon seit vielen Jahren gibt es verschiedene Besitzer mit verschiedenen Weltanschauungen.

    Ich habe mal viel von der "taz" gehalten, aber in diesem Artikel stelle ich fest, dass die Recherche jedenfalls in Bezug auf Klaber von Desinformation geprägt ist. Bitte stellen Sie die Informationen des Artikel richtig. Ich stehe für Rückfragen gern zur Verfügung, meine Kontaktdaten finden Sie auf www.gutshaus-klaber.de

    Cornelia Bölter

  • CH
    Christine Hegel

    Die Präsentation des landestypischen, einzigartigen Kultur-Phänomens in der Presse ist ja für die Hiesigen in jeden Fall wichtig, auch wenn es ein dermaßen langweiliger, weil nur das Allerbekannteste zusammenklaubende, an der Sache nun wirklich kilometerweit vorbei zielender und anscheinend einzig an altlinker Leser-Klientel ausgerichteter Artikel ist.

    Man braucht nur zu wissen, daß Schloß Ulrichshusen nun wirklich am erfolgreichsten vermarktet, eventbelegt und von touristischen Heerscharen überschwemmt ist - aus guten Gründen und gut für eine Vielzahl mecklenburgischer Schätze - und daher nichts weniger als unter Romantik zu subsumieren, um das Schematische des Artikels mit einfachem Beispiel zu belegen.

    Die Fakten liegen schließlich genau andersherum auf dem Tisch des Hauses, als hier durch die kunstgriffig verbrämte Diskussion mit unbelehrbarem Gegenüber beständig suggeriert wird: Es sind die Leute im Land - von denen leider noch immer nicht ausreichend solche, die aus sich heraus beisteuern möchten, die von den Schlössern und deren Erhaltungs-/Investitions-Initiatoren profitieren, - völlig egal, ob das nun "Alt-Junker" oder "Öko-Nostalgiker" sind. Und wenn unter 500 oder mehr Gutshausbesitzern sich ein paar braunverfärbte finden, so ist das zwar nicht begrüßenswert (und wird tasächlich in diesen Fällen sogar selbst von der Umgebung hier bekämpft bzw. einzudämmen versucht). Es ist aber als Prozentsatz angesichts politischer Verteilung im Lande verwunderlich: so stellt sich bei näherer Betrachtung denn auch wohl meist heraus, daß in diesen Fällen weder "Einwanderer" noch "vertriebene Rückkehrer" als Eigentümer fungieren, sondern der "Urbevölkerung" MVs Zugehörige, bisweilen sogar politisch eindeutige Gruppierungen. Und noch weniger hat solche Provenienz im Kreise "Neuer Gutsherrlichkeit" systemischen Charakter. Denn aus der Geschichte gelernt haben mit Sicherheit eher die, die überhaupt oder für mehr als eine Generation anderswo und anders lebten, als auf der Stelle tretende Gloriensüchtige aus dem Plattenbau-Milieu..

     

    Informativ und daher dem Ruf der taz angemessen, ist dieser Artikel rund herum leider nicht. Man möchte dafür auch in der online-Version nicht gern etwas besteuern.

  • CM
    C. Müller-Gödecke

    Mein Gott, was ist aus der taz geworden.

     

    Als ersten Link setzt man einen Link zum teuersten Schuppen der ganzen Gegend hier und die Begleiterin wird als besserwisserische Tussi diffamiert.

     

    Ich bin froh, daß ich nichts bezahlt hab für diesen Artikel ;=)

  • L
    lotta

    @ V. Müller:

     

    Die Autorin! Oder ist Edith ein Kerl?

  • VM
    V. Müller

    Der Autor schafft es gut, seine Begleiterin sehr dumm erscheinen zu lassen.