Kommerzielle Nutzung von Drohnen: Ja, was dröhnt denn da?
Drohnen werden mittlerweile nicht mehr nur als Killermaschinen eingesetzt. Ein neuer Markt entsteht – und mit ihm entstehen neue Bedenken.
BERLIN taz | Sie töten. Sie spielen Paintball, sie liefern Pizzen aus und machen Filmaufnahmen. Drohnen sind Multitalente. Genauso facettenreich wie ihre Anwendungsfelder sind die Bedenken, die ein Himmel voller Augen verspricht. Während die einen um die Privatsphäre bangen, mahnen andere davor, durch „German Angst“ und Skepsis von anderen Nationen technisch überholt zu werden. Das Marktpotenzial von Drohnen ist so vielversprechend wie beunruhigend.
Es ist eine Zukunft, die längst begonnen hat. Der Markt für Drohnen, auch Multicopter genannt, boomt. Sie werden massentauglich, sind schon ab 265 Euro erhältlich. Wer höhere Ansprüche an das vermeintliche Spielzeug hat, kann sich über Internetanbieter besser ausgestattete Modelle leihen. Oder man baut sich eine eigene. Inspiration gibt es im Netz.
Das Team „Game of Drones“ produziert in den USA eine Serie von Anleitungsclips zum Basteln von bewaffneten Drohnen. „Wir entmystifizieren Drohnen, indem wir Design, Bautechnik und freundliche Kampfspiele vorstellen. Diese kostengünstigen Projekte bringen Spaß für die ganze Familie. Wir jagen auch Sachen in die Luft“, heißt es ironiefrei vom Gründer Marque Cornblatt auf der Homepage.
Auf dem eigenen YouTube-Kanal findet sich unter anderen ein Video zur „niedlichsten Raketendrohne“ der Welt, ein handgroßer Kampfflieger zum selber basteln. Beim „lustigen Luftkampfspiel“ wird Teammitglied Eli von einer Paintballdrohne gejagt – entsprechend bewaffnet mit einem Luftdruckgewehr. Der Leitsatz der Hobbydrohnenbastler: „If it flies, it fights“. Wenn es fliegt, kämpft es.
2015 soll der US-Kongress ein Regelwerk veröffentlichen, das den Luftraum für unbemannte Flugobjekte freigibt. Bisher gelten dort annähernd gleiche Regeln wie hierzulande: Die kommerzielle Nutzung von Drohnen ist zulassungsbeschränkt. Der Freizeitgebrauch offenbart eine gesetzliche Grauzone, in der keine Zulassung erforderlich ist. Hier müssen Ballungsgebiete gemieden und Vorgaben zur Flughöhe eingehalten werden. Die Flugobjekte müssen ausnahmslos manuell gelenkt werden. Trotz Bestimmungen wird es heikel, wenn sich die Freizeitbeschäftigung wie bei „Game of Drones“ an die Grenzen der Alltagsrealität von Kampfdrohnen herantastet.
In Großbritannien ließ sich die Agentur T + Biscuits eine etwas friedlichere Anwendung einfallen. Für den Pizzalieferservice Domino’s entwickelte sie den Prototyp „DomiCopter“. Anfang Juni wurde das Video der Drohnenauslieferung von zwei Pepperonipizzen im britischen Guildford zum viralen Marketingerfolg.
Forschungsgegenstand für die Zukunft
Auch die AG Intelligente Systeme und Robotik der Freien Universität in Berlin hat bereits einen Drohnentestflug mit einer Pizza veranstaltet, dennoch meint der Forschungsleiter Tim Landgraf: „Pizzacopter wird es nicht geben. Es rechnet sich nicht, wenn man die notwendige Infrastruktur, den Versicherungsaspekt und den Luftwiderstand einkalkuliert. Da steckt lediglich eine Show, ein Marketinggag, dahinter“. Stattdessen werde es Versorgungsdrohnen geben, die Medikamente liefern.
Landgraf verspricht sich viel von diesem Forschungszweig. Sein Team hat den NeuroCopter entwickelt. 600 Euro Materialkosten und zwanzig Arbeitsstunden hat es in den Bau der Eigenkreation investiert. Anderthalb Kilo schwer, 4 Drehzylinder: Der NeuroCopter wirkt wenig bedrohlich, fast schon primitiv. Der Drohnenkörper, in der Mitte des Zentralkreuzes, strotzt jedoch vor künstlicher Intelligenz. Das NeuroCopter-Team orientiert sich bei der Forschung an Bienen, will ihre Neuronen auf Hardware pressen.
„Bienen haben ein extrem lernfähiges Gehirn. Sie haben einen sehr ausgeprägten Navigationssinn und können damit besonders gut kartieren. Wir wollen dieses Hirn kopierbar machen“. Tim Landgraf betreut das Projekt seit einem Jahr. Ziel seines Teams ist die Intelligenzentwicklung für eine autonom fliegende Drohne. Das Ergebnis ist eine Alternative zum gängigen GPS, welches „nur unter freiem Himmel gut funktioniert und noch immer Genauigkeitsprobleme hat“. Während der NeuroCopter in der Luft schwirrt, werden Sensordaten über WLAN an einen Rechner am Boden übertragen.
Typisch deutsche Zögerlichkeit
Zwar wird hier eine Drohne zur Selbstständigkeit erzogen. Der Gesetzgeber gibt jedoch den Ton an und verdirbt damit Landgrafs Zukunftsmusik. Außerhalb der privaten Nutzung muss für ein unbemanntes Flugobjekt 60 Tage vor Aufstieg eine Genehmigung eingeholt werden. „Wir wollen Technologie nutzbar machen! Die Regularien hemmen uns dabei. Wir wollen frei fliegen und testen können“, erklärt Landgraf so manchen Flug ohne Startlizenz.
Vorbehalte gegenüber einem gelockerten rechtlichen Rahmen für Drohnenflüge, empfindet er als unangebrachte, typisch deutsche Zögerlichkeit. „Man sollte sich eher um die Erweiterung der staatlichen Nutzung von Drohnen Sorgen machen, als Angst vor Firmen zu haben, weil diese in einem engen Korsett der Gesetze stecken“. Sicherlich gebe es Sicherheitsbedenken, auch praktischer Natur. Man stelle sich vor, wie die Flieger plötzlich vom Himmel fallen. Und sicherlich gebe es undichte Stellen bei der Privatsphäre. Das wiederum werde irgendwann durch eine Behördeninstanz ausgeglichen.
Wenn Landgraf in die Zukunft blickt, sieht er einen radarüberwachten Luftraum für Drohnen. Es falle ein TÜV für die herumschwirrenden Copter an und Drohnen-Pilotenscheine werden Pflicht. „Ich sehe die Entwicklung nicht hin zum Massenprodukt. Es wird ein Nischenmarkt bleiben“.
Im Dienst der Industrie
Obgleich Landgraf seine Forschungsergebnisse nicht zu kommerzialisieren sucht, profitiert eine Branche bereits von der Wissenschaft. Unbemannte Flugobjekte sind gern gesehene Assistenten an Filmsets. Die Berliner Produktionsfirma Omstudios profiliert sich mit der eigens entworfenen Drohne. Der Omcopter hat gleich acht Drehzylinder, fliegt bis zu 60 km/h schnell und kann bis zu 300 Meter von dem Piloten getrennt sein. Die am Multicopter befestigte Kamera ist nicht die übliche kleine „GoPro“, sondern das gleiche Modell, das für große Hollywoodproduktionen verwendet wird. Der Omcopter wiegt insgesamt elf Kilo und zählt damit zu den Schwergewichten auf dem Markt.
Auch für Omstudios sind die Richtlinien zur Flugbeschränkung primär Störfaktoren. „Wenn es hier eine Möglichkeit der Lockerung der Gesetze gebe, beispielsweise durch die Erwerbung eines Zertifikates, wäre uns sehr geholfen“, erklärt der Geschäftsführer Timor Kardum und weist auf das Flugverbot im Umkreis von 5,5 Kilometern des Reichstags hin.
Kardum bestätigt den steigenden Bedarf an zivilen Drohnen als „logischen Wachstumsmarkt“, eine Vision, die über das Anwendungsfeld seines Omcopters hinaus geht. „Man muss kein Hellseher sein, um Drohnen bald als allgegenwertig zu sehen“. Aus Science-Fiction werde Alltag. „Wenn wir den Gedanken weiter spinnen und jeder wirklich irgendwann eine große „personal drone“ haben wird, kann dies die Gesellschaft sicherlich nachhaltig verändern. Turnbeutel vergessen? Kein Problem. Papa schickt kurz die Drohne hinterher“.
Der Ausblick auf solch ein sorgenfreies Leben trügt. Wolfgang Neskovic, fraktionsloser Bundestagsabgeordnete und ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, erkennt in den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten eine sich anbahnende Gefahr. Neskovic graut es vor der Zukunft einer ungebremsten Nutzung kommerzieller Drohnen. Bedenklich werde es, wenn das Mittel zum beliebigen Zweck erschwinglich ist.
„Drohnen könnten so nicht nur das Bedürfnis von Spannern befriedigen, sondern weitgehend auch die Arbeit von Privatdetektiven übernehmen. Die finanzielle Verlockung für die Industrie ist riesig“. Es könne sich ein Markt eröffnen, in dem es um ähnliche Umsatzzahlen wie bei Handys und Fernsehen geht. Der Teufel wütet im Detail: Mobiltelefone und Fernseher kann jeder selbst ausschalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader