Öko-Discounter im Schlecker-Modus: „denn's ist ein Ausbeuterladen“
Die mächtigste deutsche Öko-Supermarktkette denn's expandiert rasant – auch auf Kosten von Mitarbeitern. Die klagen über Arbeitszeiten und Dumpinglöhne.
TÖPEN taz | Bei Deutschlands größter Bio-Supermarktkette denn's müssen Beschäftigte oft länger und in kürzeren Abständen arbeiten als erlaubt. Die Löhne liegen teils unter dem Niveau, das Gewerkschafter und Unternehmer als Untergrenze für den Einzelhandel vereinbart haben. Das berichten aktuelle und ehemalige Angestellte des Öko-Unternehmens aus dem fränkischen Töpen der taz.
Die Verkäuferin Ursula Schneider* ist eine der 1.300 Menschen, die bei denn‘s arbeiten. Oft steht die Verkäuferin bis 20.15 Uhr in ihrer Filiale, um am nächsten Morgen um 6.30 Uhr wieder anzutreten – nach zehneinviertel Stunden Pause. Das ist ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz: Demnach müssen Beschäftigte zwischen zwei Schichten eine „Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.“ Schneider ist kein Einzelfall. Frühere denn‘s-Angestellte berichten zum Beispiel von nur achteinhalb Stunden Ruhezeit.
Das Gesetz verlangt auch, dass Arbeitnehmer maximal acht Stunden täglich arbeiten. Ab und an sind zehn Stunden erlaubt, wenn der Durchschnitt in sechs Monaten bei acht Stunden bleibt. Davon können viele Filialleiter bei denn‘s nur träumen.
Warum denn's so wenig Gewinn macht und weshalb die Gewerkschaft Ver.di das nicht als Rechtfertigung für Dumpinglöhne akzeptiert - das lesen Sie in der Reportage „Der Bio-Schlecker“ in der taz. am wochenende vom 25./26.5.. Darin außerdem: Liebeserklärungen an einen einst verachteten Club - Bayern München Früher reich und erfolgreich, heuer auch noch brilliant. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo.
Der ehemalige Ladenchef Rolf Müller* etwa sagt: „Ich habe im Schnitt so elf Stunden gearbeitet. Wir haben dann die Personaleinsatzpläne frisiert, dass es ordentlich aussieht.“ Sonst könnten die Behörden die Verstöße bei Kontrollen ja entdecken. Auch andere frühere Filialleiter erzählen, dass sie länger als erlaubt im Markt geständen hätten. Einer von ihnen sagt: „denn‘s ist ein Ausbeuterladen.“
Wegen der vielen Beschäftigten und Märkte lasse sich nicht beantworten, ob Marktleiter länger als zehn Stunden gearbeitet haben, sagt denn's-Chef Thomas Greim, der seit 1974 maßgeblich am Aufbau der Biobranche in Deutschland mitgewirkt hat. In Einzelfällen sei dies „garantiert“ so. Feststehe aber: „Die Stunden werden erfasst“, seit Mai in allen Läden auch mit einer Software, die Verstöße kontrolliere und verhindere. Greim bestreitet auch nicht, dass Ruhephasen zu kurz waren.
Zur Frage, ob der Chef nicht mehr unternehmen müsste, um solche Verstöße zu verhindern, sagt er: „Wir sind immer ansprechbar in solchen Fällen, es melden sich aber nur wenige Mitarbeiter. Es gibt eben nur wenige Verstöße.“
Greim erklärt weiter, dass denn's-Mitarbeiter auch zehn Jahre nach Eröffnung der ersten Filiale teils weniger als die Tariflöhne bekämen, die Gewerkschafter und Unternehmer für den Einzelhandel als Untergrenzen vereinbart haben. „Die Tarifverträge werden für den Mainstream gemacht“, begründet Greim das. Für die Discounter zum Beispiel, die viel mehr Umsatz pro Mitarbeiter machten als die Bio-Branche. Sein Argument lautet also: denn's ist zu arm, um Tarif zu zahlen. Tatsächlich sind die Zahlen der denn‘s-Märkte nicht gut.
2012 hat das Unternehmen Greim zufolge etwa 180.000 Euro Gewinn erwirtschaftet – gerade mal 0,1 Prozent des Umsatzes. Hätte die Kette alle Gehälter auf Tarifniveau gehoben, hätte sie wohl Verlust gemacht.
*Die echten Namen sind der Redaktion bekannt, aber zum Schutz der Betroffenen geändert.
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