Filmstart „Jahreszeit des Nashorns“: Schildkröten prasseln vom Himmel
„Jahreszeit des Nashorns“ ist der erste im Exil entstandene Film von Bahman Ghobadi. Es geht um einen Schriftsteller, der fast 30 Jahre in Haft war.
Der kurdisch-iranische Regisseur Bahman Ghobadi lebt in der Türkei im Exil. Er darf im Iran keine Filme mehr machen, zu kritisch waren dem Regime Werke wie „Zeit der trunkenen Pferde“ und „No One Knows About Persion Cats“. Nun hat Ghobadi in der Türkei seinen ersten Exilfilm gedreht, „Jahreszeit des Nashorns“, eine scharfe Abrechnung, die sich – allerdings eher vage – auf eine wahre Geschichte bezieht.
Er erzählt von einem Dichter namens Sahel, der nach der Revolution ohne Prozess ins Gefängnis gesteckt wird. Nach fast drei Jahrzehnten wird er entlassen, seiner Frau, die schon nach zehn Jahren auf freien Fuß kommt, hat man erzählt, er sei tot. Sie lebt lange schon in Istanbul, hat zwei Kinder, es gibt einen anderen Mann.
Nun wird der Dichter entlassen. Es spielt ihn Behrouz Vossoughi, der unter dem Schah ein großer Star war und im Iran noch heute verehrt wird, vor der Revolution aber in die USA floh und nun erstmals wieder im Film eines iranischen Regisseurs eine Rolle übernahm.
Sprechen sollen die Bilder
Freilich bleibt Sahel die meiste Zeit stumm. Er fährt nach Istanbul und bezieht Posten in der Nähe des Hauses direkt am Bosporus, in dem seine Exfrau lebt – Monica Belluci spielt sie, in der Erzählgegenwart mit grauen Strähnen im Haar. Die Geschichte ist einfach, Ghobadi erzählt sie aber so, dass sich vieles erst nach und nach klärt, etwa in langen Rückblenden zum Geschehen im Iran der Revolutionszeit.
Auf die Klärung kommt es ihm aber nicht an. Sprechen sollen die Bilder, die oft rätselhaft sind, symbolisch, undurchsichtig, Bilder, in denen sich die Gegenwart und die Vergangenheit, die Realität und die Poesie des Dichters durchdringen. Auch die im Off deklamierten Gedichte sind Übungen in Worten und Sätzen, die viel evozieren, ohne sich auf bestimmten Sinn festnageln zu lassen.
Beeindruckend quer liegt ein Baum
Das nimmt sich Ghobadi zum Vorbild. Schildkröten prasseln vom Himmel. Ein Pferd steckt seinen Kopf durchs Fenster des Wagens. Beeindruckend quer liegt ein Baum. Wasser ist omnipräsent. Es regnet, aber man sieht den Dichter auch unter Wasser, wieder und wieder.
Der Kunstanspruch der Bilder ist gewaltig. Sie sind dabei eher schroff als dekorativ. Vielleicht sind sie manchmal nur Kitsch, je nach Geschmack. Die Stimmung ist und bleibt düster. Einen Nebenstrang um eine Prostituierte hätte es ganz gewiss nicht gebraucht. Man staunt über die Bilder des Films umso mehr, je weniger man versteht. Wo man versteht, wird die Diskrepanz zwischen Stilisierungsaufwand und erzählerischem und intellektuellem Ertrag doch arg deutlich.
„Jahreszeit des Nashorns“. Regie: Bahman Ghobadi. Mit Behrouz Vossoughi, Monica Bellucci u. a. Türkei/Iran 2012, 93 Min.
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