piwik no script img

Agrarreform der EUMehr Grün auf Europas Äckern

Landwirtschaftssubventionen sollen an Umweltauflagen gebunden werden. Doch es bleiben auch nach der Einigung der EU-Agrarminister viele Schlupflöcher.

Ackerland und Natur sollen sich künftig nicht mehr ausschließen. Rehe genießen eine Pause in der Feldmark in Niedersachsen Bild: dpa

BERLIN taz | Die EU-Agrarminister wollen die wichtigste Subventionsart für die Landwirtschaft an Umweltauflagen binden. Mit dieser Einigung in der Nacht zu Mittwoch in Brüssel geben die 27 Staaten einer alten Forderung von Umweltschützern und kritischen Bauernvertretern nach. Allerdings nur im Grundsatz, denn die nationalen Regierungen sollen zahlreiche Ausnahmen beschließen dürfen.

Zudem sind die Auflagen so gering, dass laut Experten in der Praxis kaum Fortschritte für die Umwelt zu erwarten sind. Die Einigung ist nun Grundlage für Verhandlungen zwischen den EU-Staaten, EU-Parlament und EU-Kommission.

Für die Forschung ist seit Langem klar: Die Landwirtschaft trägt die Hauptschuld daran, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben. Zudem verursachen die Bauern laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Gleichzeitig führt der Trend zu größeren Betrieben dazu, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten.

Dennoch verteilt die EU ihre jährlich rund 40 Milliarden Euro Direktzahlungen in Ländern wie Deutschland hauptsächlich nach der Fläche der Betriebe: Wer die meisten Hektar Land hat, bekommt auch am meisten Geld. Nun verlangen die Beschlüsse der Minister für Direktzahlungen, dass die Bauern ab 2016 mindestens 5 Prozent ihrer Ackerfläche „im Umweltinteresse“ nutzen müssen. Das können Brachen und Hecken sein, aber zum Beispiel auch Hülsenfrüchte, die die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern. Die EU-Kommission fordert 7 Prozent.

Ökobetriebe sind ausgenommen

Zudem sollen Betriebe zwischen 10 und 30 Hektar zwei Pflanzenarten anbauen müssen. Über 30 Hektar sind drei Kulturen Pflicht. Keine Pflanzenart darf auf mehr als 75 Prozent der Fläche stehen. Die EU-Kommission verlangt drei Kulturen schon ab drei Hektar. Die Landwirte sollen den Ministern zufolge außerdem maximal 5 Prozent ihrer Weiden und Wiesen zu Äckern umbrechen dürfen. Grünland ist besonders artenreich und speichert Treibhausgas. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, soll automatisch 30 Prozent seiner Fördergelder verlieren, unter Umständen sogar 7,5 Prozent mehr.

Ökobetriebe müssen sich nicht um die Auflagen kümmern. Um die Subventionen gerechter zu verteilen, soll jeder EU-Staat entscheiden dürfen, die Direktzahlungen auf mindestens 150.000 Euro je Betrieb zu begrenzen. Die Kommission wollte das zur Pflicht für jeden Mitgliedstaat machen und Unternehmen mit vielen Arbeitskräften schonen.

„Der Ansatz steht: Letztendlich werden mehr als 30 Prozent der Direktzahlungen an ökologische Kriterien gebunden“, sagte der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Ulrich Jasper. Lutz Ribbe von der Stiftung Euronatur begrüßte, dass Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) damit gescheitert sei, die Umweltauflagen komplett zu kippen. Aber, so Jasper, die Beschlüsse würden zulassen, dass Bauern auf demselben Acker mehrere Jahre hintereinander zum Beispiel Mais anbauen könnten.

Diese Monokulturen laugen den Boden aus und führen langfristig zu einem höheren Pestizideinsatz. Jasper kritisierte auch, dass die Bauern in manchen Regionen die Limits für den Grünlandumbruch umgehen dürfen sollen. Zudem bemängelte er Ausnahmen, die die ökologischen Vorrangflächen schrumpfen lassen könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • SL
    Sebastian Lakner

    Die Europäischen Umweltorganisationen z.B. Birdlife, jedoch auch der Nabu beurteilen die Agrarreform keineswegs so milde wie Jasper & Ribbe. Hier fällt das Urteil zu den EP- und Ratsbeschlüssen, wie auch zum Reform-Entwurf von Ciolos viel drastischer aus. Olaf Tschimpke vom Nabu bezeichnet die Reform zu Recht als "Armutszeugnis". Das Stichwort zur Reform ist nicht Greening, sondern Greenwashing, da schon die meisten Vorschläge von Ciolos kaum Umweltwirkung erzielen würden, ökonomisch jedoch massive Mitnahme-Effekte bei Landwirten erzeugen, die wenig bis gar nichts für die Umwelt tun. Die Maßnahme, die evtl. eine gewisse Wirksamkeit erzielt hätte, nämlich die Ökologische Vorrangfläche wird rausverhandelt. Und schlimmstenfalls werden aufgrund des Greenings die Ökolandbau-Prämien in der 2.Säule gekürzt. Da überzeugt es wenig, wenn man wie Jasper & Ribbe die Idee des Greenings prinzipiell unterstützt, weil schon die Grundidee falsch ist. Es wäre für 2020 sinnvoller, über eine stufenweise Kürzung der 1.Säule und einen starken Ausbau der 2.Säule nachzudenken, damit die Zahlungen der 2.Säule endlich Wirkungen entfalten. Man fragt sich, wann Verbände wie die AbL und Euronatur endlich Klartext reden, sie haben eigentlich nichts zu verlieren? Diese Agrarreform ist schon jetzt gescheitert!

  • JG
    Jürgen G.

    Warum ist in dem Bericht immer von Bauern die Rede?

    Ich finde Bauern und Bäuerliche Landwirtschaft weniger das Problem. Bauern haben einen Landwirtschaftlichen Betrieb meistens von Ihren Vorfahren geerbt und wollen diesen mindestens so wie sie Ihn bekommen haben wieder an ihre Nachfahren weitergeben. Dazwischen haben sie genug zu tun, um überhaupt zu überleben. Allein diese Denkweise beeinhaltet doch schon einen gewissen Grad an Nachhaltigkeit.

    Gemeint sind doch eher Agrarindustielle, welche hauptsächlich auf Gewinnmaximierung aus sind.

    Diese können sich dann auch die Lobbisten in Brüssel leisten welche dann dafür sorgen, das gute Ansätze so verwässert werden.