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Kommentar Lance ArmstrongNeues vom Trickser

Kommentar von Markus Völker

Lance Armstrongs perfekt inszenierte Dopingbeichte soll ihm die Kontrolle über seine eigene Heldengeschichte zurückgeben. Doch wer glaubt ihm noch?

Können diese Augen lügen? Ja! Bild: reuters

N icht nur im Bible Belt der USA, also im sehr gläubigen Südosten des Landes, sollte die Botschaft angekommen sein, die Lance Armstrong mit seinem Fernsehinterview bei Oprah Winfrey verbreiten wollte: Da sucht einer nach Vergebung.

Aber kann es Vergebung für das Unvergebbare geben? Philosophen haben sich darüber den Kopf zerbrochen. Der etwas spleenige französische Denker Jacques Derrida hat gesagt, Vergebungsrituale seien fester Bestandteil von symbolischer Politik. Sie treten fast schon inflationär auf: Politiker (oder auch Sportler) setzen die massenmedial inszenierte Abbitte für vergangenes Unrecht als Machtmittel ein, um sich die Deutungshoheit über öffentliche Diskurse zu sichern.

Der Fall Lance Armstrong passt in dieses von Derrida beschriebene Schema. Der Kontrollfreak, dem alles außer Kontrolle gerät, möchte wieder die Oberhand gewinnen. Er tut das mit einer nahezu perfekt choreografierten Beichte im US-Fernsehen. Seht her, hier stehe ich, reuig und schuldbewusst. Ich war fehlbar. Ich habe gelogen und betrogen. Man möge mir verzeihen.

Bild: taz
Markus Völker

ist Sportredakteur der taz.

Aber mit dem Verzeihen und Vergeben ist es nicht so einfach. Manche Taten sind schlicht too big to forgive. Die Suche nach Vergebung muss ohne Kalkül daherkommen, sie muss überdies von Angesicht zu Angesicht erfolgen, postuliert Derrida, in einer solitude á deux. Kurzum: Man muss dem Beichtenden Glauben schenken, man muss seine Abbitte für authentisch, von Herzen kommend halten.

Aber gelingt das bei Armstrong, dem notorischen Trickser? Momentan dürfte das den meisten schwerfallen. Sie halten Armstrongs Aussagen für reine Strategie. Für ein weiteres machtpolitisches Spiel.

Armstrong hat sich über fast zwei Jahrzehnte als Soziopath und Manipulator erwiesen. Warum sollte er ausgerechnet jetzt geläutert sein? Auf welche Weise sollte er ein anderer geworden sein? Das fragen sich viele. Zu Recht. Nein, Armstrongs Beichte ist im Grunde keine Beichte, denn er bleibt zu sehr an der Oberfläche. Das Oprah-Interview ist allenfalls das Präludium gewesen für ein größeres Bekenntnis, für eine Wiedergutmachung, die diesen Namen verdient.

Ginge es Lance Armstrong wirklich um Vergebung, dann müsste er noch viel mehr tun, als sich zweieinhalb Stunden vor eine Kamera zu setzen. Er müsste die Radsportwelt Schritt für Schritt von seiner Aufrichtigkeit überzeugen. Aber wer mag daran glauben, mal abgesehen von ein paar Erleuchteten im Bible Belt.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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10 Kommentare

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  • R
    Radsportler

    Jeder, der auch nur ein bisschen in den Amateurradsport reinschnuppert und sich nicht beide Augen fest zuhält, kann selbst dort seit über 30 Jahren systematisches Doping entdecken, auch wenn es um nichts geht.

    Die Fred-Feuerstein-Kinnladen in vielen Muckibuden sprechen auch Bände.

    Daß es im Spitzensport angeblich irgendwo anders aussieht, ist lächerlich.

    Ebenso lächerlich wie die Radsport- Olympia- und die meisten anderen Sportverbände, denen es nur um Vertuschung geht.

    Überführte TdF Doping-Organisatoren Italiens, die Taten sind verjährt, sitzen im IOC.

    Was denn noch?

    Röhnradfahrer mag es noch ohne Doping geben, aber niemanden in der Spitze werbeträchtiger Sportarten.

    Der Kommerz hat es komplett versaut, es kann dort deswegen auch keine Vorbilder mehr geben.

  • JK
    Juergen K.

    Armstron, Ullrich, Schavan, Guttenberg

  • B
    bacon58

    Kann man noch irgendwas glauben.

    Tut mir leid ich zweifle langsam an allem

    auch an seiner Krankheit einfach nur karieregeil.

  • KK
    Karl K

    Lost in translation? 2.0

     

     

    Ja, in dem See der Krokodilstränen

    angesichts des erzwungenen Eingeständnis von

    Armstrong kann man glatt ersaufen.

     

    Allen voran der DOSB Oberfuzzi Thomas Bach - erdreistet sich,

    grad in der Tagesschau mit staatsmännischem Fern-Blick das Geständnis

    von Armstrong zynisch zu kommentieren.

     

    Eben der oberste Sportfunktionär - unter dessen Ägide kurz zuvor ein Antrag auf

    effektivierende Dopingverfolgung abgeschmettert worden ist.

    Verlogener geht's nicht. Und die Staatsseite läßt sich

    wohlwollend auf der Nase rumtanzen.

  • W
    Waldi

    Ja, seht ihr, es ist doch alles gar nicht so schwer. Man kann von heute auf morgen total seinen Charakter verändern, Armstrong macht das doch gerade beispielhaft vor. Der Mann hat 41 Jahre lang mit seinem Charakter gelebt und plopp! - schon ist er ein anderer Mensch. Er ist ein wirkliches Genie!

  • U
    Uwe

    Töstlich zu wissen, dass sich das Pharisäertum in die Neuzeit gerettet hat. Und überhaupt: Wer einmal lügt dem glaubt man nicht auch wenn er die ... Fortsetzung im 2. Teil.

     

    Lasst den Mann in Ruhe. Gibt ihm die Gelegenheit ein besserer Mensch zu werden, ein paar Millionen zurückzuzahlen und irgendwann wieder an Wettkämpfen teilzunehmen. Nein? Dann wollen wir wohl keine Helden mehr, die unserer vergleichweise müde Existenz aufwecken. Wir wollen Helden? Dann vielleicht auch damit wir Sie nachher in der Luft zerpflücken können wenn sich alles als Lug und Trug herausgestellt hat.

     

    Was hilft ist die Erkenntnis ohne EPO und Co. wäre Armstrong nicht mal im hinteren Drittel gelandet, auf einer Tour die mit chemischen Geschmacksverstärkern eh nichts weiter als eine Runde um den Gartenteich ist. Oder sollte alles vielleicht doch nicht ganz so einfach sein?

     

    Taten können einen ankotzen -die Reaktionen darauf auch ...

  • GF
    Gerhard F.

    Die Äusserung: Grund für sein agressives Verhalten gegenüber den "Angreifern" und denen die ihn beschuldigten gedopt zu habe, sei seine schwere Kindheit, macht mich sprachlos und belegt die Vermutung, dass es diesem Herrn keinesfalls ernst ist mit seiner "Beichte". Vergessen darf auch nicht, dass Armstrong unter Eid aussagte nie gedopt zu haben.

     

    Habe mal während einer Tour angefragt weshalb Armstrong beim Zeitfahren ein so auffällig großes Funkgerät im Lendenwirbelbereich trägt - im Zeitalter der Miniaturisierung erstaunlich - es kam nichts. War's eine zwecktentfremdete Insulinpumpe?

     

    Als ich noch Radrennen fuhr war noch Sekt unter untersagte Aufputsch aufgeführt - tja die guten alten Zeiten.

  • FS
    Florian S.

    Habe ich da etwas nicht mitbekommen? Wer hat behauptet, Armstrong würde um Vergebung bitten wollen? Oder sich entschuldigen? Die Essenz aus dem Interview ist doch, wie Ullrich so treffend formulierte, "alles nichts Neues..." - gut, er hat offiziell und vor laufender Kamera eingestanden, gedopt zu haben. Ich denke, das ist schon der ganze Sinn und Zweck dieses Interviews. Dazu noch ein paar Sentimentalitäten. Vielleicht eine kleine Entschuldigung am Ende, der Wirksamkeit wegen. Aber Vergebung? Sorry, wer braucht's?

     

    Intellektuell zu überladener Artikel, der in Klischees verfällt. Schade eigentlich.

  • T
    TourDeDope

    Abbitte? Vergebung? Lance Armstrong ist der beste Radrennfahrer aller Zeiten, und wenn es eine echte Neuigkeit gab dann war diese nur, wie einfach Doping im Radsport ist.

    Armstrong wurde erwischt, weil er an der Spitze stand. Wer weniger Talent und ebenso gedopt angetreten ist, wurde eben nicht derart genau beobachtet.

     

    ALLE Fahrer der Tour de France haben Doping betrieben, insofern ist es so oder so ein Wettkampf auf Augenhöhe.

    Lance Armstrong hat sich geoutet, er hätte ebenso weiter schweigen können. Dann hätte der Radverband ermitteln und Beweise für Doping bei jeder einzelnen Tour finden müssen.

  • BD
    Bürger der Rad fährt

    Man kann diesem Armstrong glauben. Ja warum denn nicht? Man kann ihm nun glauben, dass er gedopt hat. Dass er ein Lügner ist, dass er ein Betrüger ist. Dass er falsches Zeugnis gegeben hat (im Rahmen diverser Prozesse gegen ihn).

    Aber dass man diesem Menschen jemals wieder glaubt, dass er irgendeine körperliche Leistung aus eigener Kraft zustande bringt bzw. gebracht hat. NIE.

    Und was auch klar ist, Armstrong sollte keine Anstrengungen mehr unternehmen, wieder im Sport und dort im Wettstreit anzutreten.

    Da braucht man auch keinen Bible Belt bemühen.