SPD in Baden-Württemberg: Die Suche nach dem Markenkern
In Stuttgarts grün-roter Koalition wird stets die Augenhöhe betont. Doch intern knabbern die Sozialdemokraten mächtig an ihrer Juniorrolle.
STUTTGART taz | Das Kinn auf seine linke Hand gestützt, sitzt Nils Schmid bei einer Pressekonferenz. Seine rechte Hand spielt mit dem Kugelschreiber. Dann schaut er auf und presst seine Lippen zusammen. Eine typische Mimik von Schmid. Neben ihm sitzt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dessen Vize Schmid ist. Kretschmann redet, nimmt kritischen Fragen elegant die Schärfe, sorgt bei den Journalisten für Lacher.
Seit anderthalb Jahren geht das so. Die Kameras sind stets auf den Grünen Kretschmann gerichtet. Der SPD-Mann Schmid, immerhin Finanz- und Wirtschaftsminister sowie Vize-MP und Landesparteichef in persona, scheint nicht gefragt. Denkt er in diesen Momenten an den 27. März 2011? Oder ans Jahr 2016?
Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr landeten die Sozialdemokraten nur knapp hinter den Grünen. Doch die winzigen 1,1 Prozentpunkte Differenz haben das Kellner-Koch-Verhältnis komplett gedreht. Seit diesem Tag geht es für die SPD darum, an den Grünen wieder vorbeizuziehen und 2016 selbst den Ministerpräsidenten zu stellen.
Doch in den Umfragen ist das Gegenteil passiert. Die SPD verlor, die Grünen legten zu. Vordergründig wird in der Koalition stets die Augenhöhe betont. Doch intern knabbern die Sozialdemokraten mächtig an der Juniorrolle. Manche Aussagen der Genossen wirken da fast ratlos.
Kritik innerhalb der Partei
„Es ist einfach so, dass wir einen grünen Ministerpräsidenten haben, der seine Arbeit gut macht – und jeder Ministerpräsident zieht eine große Medienpräsenz auf sich“, sagt die Generalsekretärin der Landes-SPD, Katja Mast. Auch andere betonen, wie schwer es sei, gegen Kretschmann zu bestehen. „Ich wüsste auch nicht, was ich anders machen würde“, sagt eine Genossin.
Doch es ist nicht nur der populäre Kretschmann. Intern gibt es auch die Kritik, dass man es bislang nicht geschafft habe, einen Markenkern zu entwickeln. Hinzu komme ein „massives Darstellungs- und Vermittlungsproblem“, sagt der Juso-Vorsitzende Markus Herrera Torrez. Die SPD müsse stärker herausstellen, warum die Haushaltskonsolidierung so wichtig sei und dass schließlich Kretschmann die hohe Zahl an Lehrerstellen genannt habe, die gestrichen werden soll.
Diese Vermittlung war auch Aufgabe der Führungskräfte auf dem Landesparteitag am Samstag. Im badischen Wiesloch betonten Redner angesichts der Negativschlagzeilen zur Haushalts- und Bildungspolitik immer wieder, dass die Partei doch lieber auf das blicken solle, was sie in der Regierung schon erreicht habe. „Raus aus der Defensive“, forderte ein Genosse und erntete dafür starken Applaus.
Mit mehr Abstand betrachtet Dieter Spöri die Regierungsarbeit. Seine Erfahrungen mit der Juniorrolle hat er schon gemacht. 1992 war Spöri Wirtschaftsminister und Stellvertreter von CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel. Heute arbeitet er in Berlin. Eine Juniorrolle sei immer undankbar, sagt er.
Das Nagen am Selbstwertgefühl
„Aber diese Juniorrolle in der Koalition mit den Grünen ist zehnmal so schwer wie in einer Koalition mit der CDU.“ Die historische Sondersituation mit einem grünen Ministerpräsidenten nage am Selbstwertgefühl der SPD und ist „medial so potenziert, dass man das gar nicht mit anderen Juniorrollen vergleichen kann“.
Um in vier Jahren aus Grün-Rot Rot-Grün zu machen, müsse „die SPD im Bund Schubkraft entwickeln. Das wird entscheidend sein“, sagt Spöri. Dazu müsse es der SPD gelingen, mit Konzepten für die Bändigung des Turbokapitalismus zu mobilisieren. Die SPD müsse zeigen, wofür sie im globalen Wettbewerb steht. „Das kann die Landes-SPD allein nicht leisten.“
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