piwik no script img

"Das ist Selbsthygiene"

■ Harald A. Summa, Vorsitzender des "eco Electronic Commerce Forum", fordert Selbstkontrolle im Internet

taz: Der Verein „eco“ soll die „Nutzung des Kommunikationsnetzes Internet durch Privatpersonen sowie durch wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Vereinigungen fördern“. So steht es in der Satzung. Bekannt geworden ist er aber durch etwas ganz anderes. Er will eine sogenannte Internet Content Task Force für Newsgroups einrichten. Hat Ihnen der Fall CompuServe noch nicht gereicht?

Harald A. Summa: Unsere Initiative ist älter. Die Internet Service Provider, die zusammen in Frankfurt den kommerziellen Netz-Übergabeknoten „DE-CIX“ betreiben, haben sich schon vor dem CompuServe-Fall Gedanken darüber gemacht. Wir mußten feststellen, daß sich die Gesetzgebung nicht so weiterentwickelt, wie wir es brauchen. Es besteht keine Rechtssicherheit, und so haben wir schon im letzten Jahr darüber diskutiert, daß wir etwas tun sollten, um unsere Lage zu verbessern – bevor der Gesetzgeber zuschlägt.

Seit wann dürfen private Vereine Gesetze machen?

Wir wollen ja keine Gesetze schaffen. Wir wollen nur die Diskussion in die richtige Richtung drängen. Wir brauchen in bestimmten Bereichen überhaupt keine gesetzlichen Regularien für die Internetdienste. Deshalb haben wir uns gefragt, was wir selbst tun könnten, um in der Diskussion darüber einen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen. Das war zunächst die Initiative zur Gründung eines Medienrates.

Was eine gesellschaftliche Diskussion ausgelöst hat, war nicht Ihr Medienrat, sondern die Selbstzensur des Onlinedienstes CompuServe, der 200 Newsgroups von seinen Rechnern gelöscht hat. Seither ist überall von Pornographie und Neonazis im Internet die Rede. Was hat Eco denn zu dieser Diskussion beigetragen?

Die Diskussion ging an den Internetprovidern vorbei. Sie betraf vor allem die Onlinedienste, die in einer anderen Situation sind, weil sie ein eigenes Netz betreiben, das sie kontrollieren können.

Trotzdem wollen Sie nun dasselbe tun. Die Task Force soll dafür sorgen, daß bestimmte Dinge von den Rechnern verschwinden. Warum ist das keine Zensur?

Das ist ein schwieriges Thema. Was wir vorhaben, würde ich als Selbsthygiene bezeichnen.

Waren die Internetprovider so schmutzig, daß sie sich mal ordentlich waschen müssen?

Nein, natürlich nicht. Aber man muß schon differenzieren. Wenn jedem bewußt ist, daß es im Netz Dinge gibt, die schmutzig sind, dann muß ich mich fragen, ob ich das erdulden soll. CompuServe hat einfach global ganze Gruppen gesperrt. Uns geht es darum, herauszufinden, was man tolerieren kann und was nicht. Das kann auch jeder Provider einzeln für sich entscheiden. Wir aber bieten ihnen an, daß sie uns dieses Mandat übergeben, damit wir ihnen gezielt sagen können, wo sie unter Umständen in Konflikt mit den Gesetzen geraten könnten.

Nach welchen Kriterien soll die Task Force denn entscheiden?

Zunächst werden wir uns nach den Maßstäben richten, die das Gesetz vorgibt. Zum andern soll der Medienrat, der eine durchaus demokratische Einrichtung ist, Grundlagen schaffen, auf die man solche Entscheidungen aufsetzen kann.

Auch Ihr Medienrat ist ein außerparlamentarisches Gremium. Mit welcher Befugnis legt er fest, was den Internetnutzern zuzumuten ist?

Er wird sich etwa an den Maßstäben orientieren, die auch für den Presserat oder die Rundfunkräte gelten. Es gibt viele eindeutige Fälle, aber auch Grenzfragen, in denen die Allgemeinheit anders entscheiden würde als so ein Gremium.

Der Gesetzgeber selbst ist damit im Augenblick überfordert. Aber immerhin arbeitet die Bundesregierung an einem Multimediagesetz. Warum warten Sie nicht einfach ab, bis der Entwurf vorliegt?

Wir haben ja an den Anhörungen dazu mitgewirkt und dort den Eindruck gewonnen, daß die Regierung auf eine freiwillige Selbstkontrolle der Provider setzt. Andererseits wurde nicht deutlich genug unterschieden zwischen Onlinediensten und Internetprovidern. Onlinedienste können ihren Stall relativ einfach sauberhalten, weil sie für eine geschlossene Benutzergruppe verantwortlich sind. Für das Internet gilt das nicht.

Eben deswegen hat soeben das Bundesgericht in Philadelphia gegen das amerikanische Zensurgesetz entschieden und festgestellt, daß die Inhalte des Internet weder kontrolliert werden können noch dürfen. Warum sind Sie da anderer Meinung?

Ich glaube auch nicht, daß man das Internet also solches kontrollieren kann. Aber ich glaube, daß man stichprobenartig fündig werden kann und dann Dinge zutage fördert, die den Gesetzen nicht entsprechen, weder unseren Gesetzen noch den Gesetzen anderer Länder. Dieser Gedanke ist ja auch an anderer Stelle geäußert worden, auch die Amerikaner haben mit ihren Cyberpatrols etwas Ähnliches vorgeschlagen.

Die Richter von Philadelphia meinen, daß die Regierung so etwas nicht fordern darf. Wer soll denn bei Ihnen die Stichproben durchführen?

Juristisch gebildete Menschen, Leute, die beurteilen können, was nach dem Strafgesetz relevant ist und was nicht relevant ist.

Und was geschieht mit den Newsgroups, die der Task Force mißfallen?

Die werden bekannt gemacht. Wir sagen den Providern, daß da etwas liegt, und sie können dann entscheiden, ob sie es von ihrem Rechner nehmen wollen.

Aus dem Netz verschwunden sind die Pornos damit nicht. Ich kann sie über denselben Provider immer noch lesen, nur nicht auf seinem Rechner.

Aber er hat getan, was in seiner Macht steht. Er hat sich exkulpiert. Ich vergleiche das immer mit einem Spediteur, der zuschaut, wie palettenweise Kinderpornos in seine LKWs geladen werden. Er kann die Augen davor verschließen oder dem Lieferanten sagen, daß er sich einen anderen suchen soll. Es geht nur darum, daß Provider solche Dinge unwissentlich selbst vorrätig halten. Wenn sie das tun, laufen sie Gefahr, daß ihnen der Staatsanwalt die Festplatten beschlagnahmt.

Leben Internetprovider wirklich so gefährlich, daß sie der Polizei zuvorkommen müssen?

Staatsanwälte haben Internetprovider in Mannheim und Duisburg besucht. Der Druck des Gesetzgebers nimmt zu, vor allem die großen Provider haben Probleme damit. Es sind außerdem Gruppen an einer freiwilligen Selbstkontrolle interessiert, die das Geschäft mit dem Internet nicht unbedingt verstehen. Das hatte sich in den Anhörungen gezeigt. Die Rolle der Telekom war nicht sehr glücklich. Sie hat mit ihrem Gremium zur Btx-Selbstkontrolle in der Anhörung fast dieselben Forderungen gestellt wie wir. Aber die Telekom kann nicht für die Provider sprechen.

Im deutschen Teil des Usenet ist Ihre Initiative fast nur auf harte Kritik gestoßen. Wundert Sie das?

Die Einseitigkeit und Polemik hat mich überrascht. Wir wollen ja nicht gegen alles mögliche im Internet vorgehen, sondern nur ganz spezifisch gegen die Dinge, die jugendgefährdend oder nationalsozialistisch sind. Daß das so sehr abgelehnt wird, hatte ich nicht erwartet. Wenn sich das Netz selber regulieren will, wie oft gesagt wird: Warum bekommt es dann diese Probleme nicht in den Griff?

Warum sollte das dem Eco-Medienrat besser gelingen? Das Beispiel der Rundfunkräte zeigt, daß solche Gremien Tummelplätze für den Parteienproporz sind. Wer soll denn bei Ihnen dabeisein?

Wir haben eine Zusage von Herrn Professor Götze vom Springer Verlag in Heidelberg. Wir haben an weitere Persönlichkeiten aus dem Medienbereich gedacht, zum Beispiel von Bertelsmann, wir möchten Menschen aus der Forschung dabeihaben, zum Beispiel Professor Kubiceck aus Bremen. Jemand muß einfach den Anfang machen, muß öffentlich dazu stehen, und wir haben die Hoffnung, daß das ein sehr sachkompetentes Gremium wird.

Eco will nicht nur Inhalte im Internet kontrollieren, der Verein betreibt auch den zentralen Übergabeknoten für Deutschland und kann dort den gesamten innerdeutschen Internetverkehr überwachen. Werden Provider ausgeschlossen, wenn sie sich nicht an die Empfehlungen von Medienrat und Task Force halten?

Nein, diese beiden Dinge haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Fragen: Niklaus Hablützel

(niklaus@taz.de)

Harald Summa: summa@eco.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen