: Schläger müssen draußen bleiben
Gestern Abend sollte der Bundestag das Gewaltschutzgesetz verabschieden. Der Kern: „Der Täter geht, das Opfer bleibt“. Geschlagene Frauen sollen nicht mehr aus der Wohnung ausziehen müssen. Gleiches gilt übrigens für männliche Opfer
von HEIDE OESTREICH
Die eigene Wohnung ist für so manche Frau nicht der sichere Ort, für den sie ihn hält: Etwa 45.000 Frauen fliehen jährlich vor den Schlägen ihres Partners ins Frauenhaus. Nun soll die Wohnung sicherer werden: Gestern Abend sollte im Bundestag das neue Gewaltschutzgesetz verabschiedet werden.
Sein Kern: Nicht mehr das Opfer von Gewalt muss sehen, wo es unterkommt, sondern „der Schläger geht, das Opfer bleibt“, so der offizielle Slogan. Mit einem vereinfachten Wohnungszuweisungsrecht soll erreicht werden, dass nach Gewalttaten der Täter ausziehen muss und das Opfer für maximal sechs Monate in der Wohnung bleiben kann. Neu ist, dass das auch für nicht verheiratete und homosexuelle Paare gilt. Zudem kann ein Gericht weitere Schutzanordnungen treffen, etwa ein Kontakt- und Näherungsverbot für den Täter. Auf eine ähnlich eindeutige Gesetzesgrundlage werden Fälle von „Stalking“, von Nachstellungen und andauernden Belästigungen, gestellt: Auch dann kann das Gericht verbieten, sich der belästigten Person zu nähern. Es droht eine Geldstrafe oder ein Gefängnisaufenthalt von bis zu einem Jahr.
Eine Schwachstelle beim Schutz der Opfer bildet nun noch der Zeitraum zwischen der Prügelei und der Entscheidung des Gerichts über die Wohnungszuweisung. Die Polizeibeamten, die die Tat aufnehmen, müssten das Recht haben, den Täter der Wohnung zu verweisen, bis die Gerichtsanordnung greift. So ein so genannter Platzverweis wurde bisher aber nur für kurze Zeit ausgesprochen. Einige Bundesländer haben deshalb ihre Polizeigesetze entsprechend geändert. „Zug um Zug“, so hofft die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk, „werden die anderen Länder nachziehen.“
Während Hilfsprojekte für Frauen das Gesetz begrüßen, haben einige Männer – vergeblich – dagegen mobil gemacht: Wer nicht die Polizeidaten, sondern auch Dunkelfeldstudien einbeziehe, müsse erkennen, dass etwa gleich viele Männer wie Frauen Opfer häuslicher Gewalt würden, so etwa der von der CDU eingeladene Kriminologe Michael Bock in der Anhörung zum Gewaltschutzgesetz. Das Gesetz zementiere dagegen das Vorurteil, dass Männer die Täter und Frauen die Opfer seien. Bock zitiert eine Opferbefragung des Kriminologischen Instituts Niedersachsen (KFN), nach der 2,16 Prozent der befragten Männer und 2,4 Prozent der Frauen Opfer häuslicher Gewalt wurden. Ob in diesen Fällen allerdings regelmäßig Frauen die Täterinnen waren, darauf weist Werner Grewe vom KFN hin, sei nicht gefragt worden: „Der Täter kann auch bei einem männlichen Opfer der Bruder, Schwager oder Vater sein“, so Grewe zur taz.
Für völlig unerheblich hält Schewe-Gerigk die Kritik: „Das Gesetz ist ohnehin geschlechtsneutral gefasst. Sollten mehr Frauen zuschlagen, als wir denken, dann profitieren männliche Opfer ebenfalls.“ In einem Punkt hat Schewe-Gerigk nicht ganz Recht: Obwohl alle Gesetzesvorhaben des Bundes nach dem neuen Gleichstellungsgesetz neutral abgefasst sein sollen, hapert es im Gewaltschutzgesetz. Dort ist zwar von der „verletzten Person“ die Rede, aber immer wieder auch von „dem Täter“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen