Extremes Surfen: "Bei 15 Metern fängt der Spaß erst an"
Michi Mohr ist einer der wenigen deutschen Big-Wave-Surfer. Mit dem Jetski lässt er sich in die haushohen Riesenwellen ziehen und surft dort mit bis zu 50 Sachen.
BERLIN taz | Vor vier Jahren war es so weit, da hat es ihn erwischt, da ist das passiert, was eigentlich nicht passieren darf. Es geschah im Wasser vor der australischen Westküste, es war "ein großer Tag", wie Michi Mohr sagt, ein Tag, an dem die Wellen fast so hoch waren wie Häuser.
Er versucht, die Welle anzupaddeln, er sieht, dass sie groß wird, größer als die vorher, als sie sich hinter ihm auftürmt. Plötzlich wird sie steil, doch es ist zu spät, um zurückzuziehen. Ich versuchs, hat er noch gedacht. Doch das Aufstehen gelingt nicht. Die Welle hebt ihn bis zum höchsten Punkt und schmettert den Münchener mit Millionen Liter Wasser auf den spiegelglatten Ozean.
Unendliche Momente ist der heute 32-Jährige unter Wasser, er geht "in den Fahrstuhl", wie er sagt, wird hin und her geworfen. Als er endlich auftaucht und sich zum Begleitboot rettet, sind die Nähte seines Neoprenanzugs zerrissen. So stark war die Wucht, mit der das Wasser in den Anzug gedrückt wurde.
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Wipeouts nennen Surfer die Momente, in denen die Natur über das eigene Können siegt, in denen die Welle den Sportler vom Board wirft. So wie Mohr an diesem Tag vom höchsten Punkt der Welle, der "Lippe", zu stürzen, gilt als der gefährlichste Moment - besonders beim Big-Wave-Surfen. "Zum Glück ist weder mir noch meinen Freunden je etwas Schlimmes passiert", sagt er.
Eine Handvoll Extremsportler betreiben in Deutschland Big-Wave-Surfen. Wenn sich die meisten nicht mehr ins Wasser trauen, fängt für sie der Spaß an. Bis zu 15 Meter surfen sie die Wellen herunter. Weil es oft nicht möglich ist, mit eigener Kraft die Wellen zu erreichen, werden die Surfer oft mit Jetski in die Wellen hineingezogen. Schlaufen an den Füßen sorgen bei Geschwindigkeiten von bis zu 50 Stundenkilometern für Stabilität, Rettungswesten dafür, nach einem Sturz schneller wieder an die Oberfläche gelangen.
Michi Mohr hat mit 16 angefangen, damals noch auf einer ganz anderen Welle: der Flusswelle im Münchener Eisbach. Mit 21 macht er den ersten längeren "Trip" nach Portugal, "da bin ich in Peniche hängengeblieben" - dem in der Szene berühmten Ort nördlich von Lissabon. 2001 geht Mohr das erste Mal auf Weltreise, Australien, Neuseeland, Fidschi, Indonesien, die besten Reviere der Welt. "Da ging es vorwärts", sagt er heute.
Doch wann wird ein Surfer zum Big-Wave-Surfer? "Es kam eher unvermittelt", sagt Mohr, "irgendwann auf der Weltreise war ich im Wasser und wunderte mich, dass es so leer um mich herum war - weil die Wellen für viele zu groß waren."
Seitdem hat sich Mohr auf die großen Wellen spezialisiert, weil es "den besonderen Kick gibt, na klar", aber auch wegen der Stimmung im Wasser. "Big-Wave-Surfer sind viel kollegialer", sagt Mohr, "ich bin doch lieber mit fünf anderen auf dem Ozean, als im überfüllten Frankreich um kopfhohe Wellen zu kämpfen." Eine Wettkampfstruktur hat sich noch nicht herausgebildet, allerdings gibt es Preise wie die XXL Big Wave Awards, bei denen etwa der "Ride of the year" und der "Monster Paddle" ausgezeichnet werden.
Es bleibt ein Hobby, ein teures zudem, dass sich Mohr nur dank Sachsponsoren leisten kann, und weil er in einem Surf- und Snowboardgeschäft arbeitet. "Die unterstützen mich", sagt er. "Wenn es spontan in Europa große Wellen gibt, kann ich mir einige Tage frei nehmen." Leben werde er davon nie können, das weiß er. "Aber eigentlich kann trotzdem alles so weitergehen, wie es ist."
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