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Studie zu Parlamentarier-VergangenheitWulffs braune Ahnen

CDU und FDP waren nach dem Krieg ein Sammelbecken von Ex-Nazis. Laut einer Studie der Linkspartei waren die niedersächsischen Landtagsabgeordneten mehr als bloße Mitläufer des NS-Regimes.

Tragen nicht nur dann und wann Antifa-T-Shirts (wie hier der Abgeordnete Humke-Focks): Jetzt ließen die Linken die NS-Verstrickungen der Regierungsfraktionen erforschen. Bild: DPA

Irgendwann wurde es Hans-Henning Adler zu bunt: Die Parlamentarier der CDU beschimpften den Kollegen von der Linken nicht nur ständig als "Kommunisten". Nun versuchten sie auch noch, die eigene Partei-Vergangenheit reinzuwaschen: "Die CDU hat ihre geistigen und politischen Wurzeln im christlich motivierten Widerstand gegen den Terror des Nationalsozialismus. Das", sagte der parlamentarische CDU-Geschäftsführer Bernd Althusmann im Mai im Landtag, "ist die Wahrheit"

Doch es ist nur ein Teil derselben: Maßgebliche Nachkriegspolitiker von CDU, FDP und der später in der CDU aufgegangenen Deutschen Partei (DP) waren nicht nur NSDAP-Mitglieder, sie hatten gar herausgehobene Funktionen im Nazi-Staat. Das ist das Ergebnis einer Studie des Oldenburger Historikers Hans-Peter Klausch im Auftrag Adlers. Danach besaßen 71 der 300 untersuchten Abgeordneten ein Parteibuch der NSDAP, 12 waren ihr sogar noch zu "Kampfzeiten" vor 1933 beigetreten. Klausch, der für seine Studie im Bundesarchiv in NS-Datensammlungen wühlte, hält die bürgerlichen Parteien und ihre Fraktionen im Nachkriegslandtag für "ein Sammelbecken vormaliger Nazis mit und ohne Parteibuch, unter denen sich nicht nur Mitläufer und Opportunisten, sondern auch Aktivisten und Funktionsträger befanden". Adler will nun die Vergangenheit aller Landes-Parlamentarier mit einer Kommission aufarbeiten.

Eines der ranghöchsten Mitglieder in der virtuellen NSDAP-Fraktion im Landtag: Das spätere DP-Mitglied Alfred Richter, erstmals 1923 in der "Partei", später "Führer der SA-Standarte 76 Hamburg", dann sogar NSDAP-Senator in der Hansestadt. Der spätere CDU-Landtagsabgeordnete Freiherr Otto von Fircks war sogar aktiv an der Aussiedlung von Juden in Litzmannstadt, heute Lodz, beteiligt. "Mit der Evakuierung geht es dort sehr gut voran. Bis 12. Februar wird mit der Heraussetzung der Juden Schluss sein, dann kommen die Polen an die Reihe", schrieb das SS-Mitglied 1940. Der spätere CDU-Schriftführer im Landtag, Helmut Kostorz, bereitete 1939 den Überfall auf Polen vor. Weil er sich bei der "Befreiung Ostoberschlesiens" so verdient gemacht hatte, wurde er später zum Ortsgruppenleiter und Ratsherrn der NSDAP in Kattowitz gekürt.

Hermann Conring aus Leer, von 1953 bis 1955 für die CDU im Landtag, von 1953 bis 1965 sogar im Bundestag, wird als Antisemit geoutet. Er schrieb schon 1933 als Grund für die von ihm veranlasste Einweisung eines Kaufmanns ins KZ: "Wegen seiner schädlichen, geschäftl. Handlungsweise gegenüber den deutschen Volksgenossen. Er ist Jude". Zwei Jahre später frohlockte er, dass "jetzt in der Judenfrage erfreulicherweise wieder schärfer vorgegangen werden" dürfe. In seiner Stellung als "Beauftragter des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete für die Provinz Groningen" reichte er Vorschläge "zur Behandlung der Judenfrage" bei seinem Vorgesetzten ein: Es wäre "wünschenswert, wenn die Juden möglichst bald aus der Nachbarschaft des Küstenplatzes Delfzijl" verschwänden, schrieb Conring 1942.

Keiner der braunen Ahnen von CDU-Regierungschef Christian Wulff hatte nach dem Krieg den Mumm, zu seiner Vergangenheit zu stehen: So Georg Strickrodt, von 1946 bis 1950 Finanzminister in Hannover. Er trieb in führender Funktion bei den Reichswerken Hermann Göring die Kriegsproduktion voran, zudem drangsalierte der Vertraute von "Reichsführer SS" Heinrich Himmler in Salzgitter schuftende KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter. Auch der spätere Oldenburger Oberbürgermeister und Bundestagsmitglied Wilhelm Nieberg war kein Demokrat der ersten Stunde, wie er es öffentlich darstellte, sondern seit 1937 Mitglied der NSDAP. Der Göttinger FDP-Parlamentarier Gottfried Jungmichel wird schon im März 1933 als "wertvolle Kraft" bei der "Erledigung der vielfachen Pflichten der SA" gerühmt. Dem CDU-Mann Walter Bockenkamp bescheinigte die NSDAP-Gauleitung 1939, dass er sich "ununterbrochen für die Bewegung als SS-Mann sowie als politischer Leiter betätigt" habe.

Weitere Funktionen späterer Volksvertreter: Horst Huisgen, seit 1950 Hauptgeschäftsführer der Landes-FDP, war "Gebietsführer der Hitlerjugend Gebiet Oberschlesien". Artur Missbach, CDU-Landtagsmitglied und Mitglied des Bundestages aus der Grafschaft Hoya, trat 1930 mit 19 Jahren der Hitlerjugend bei und wurde später Ressortchef im Reichswirtschaftsministerium.

Immerhin: Historiker Klausch hat 25 Abgeordnete von CDU, FDP oder DP gefunden, die als Gegner des Nationalsozialismus Sanktionen zu erleiden hatten. Nicht dazu gehört der DP-Mann Friedrich Hanker aus Lembruch im Kreis Diepholz, der laut Landtagshandbuch "1935 wegen Schädigung des Ansehens der NSDAP verhaftet" wurde. Tatsächlich legte der aber wenig später sogar Beschwerde gegen seinen Ausschluss aus der NSDAP ein.

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