Flugsicherheit: Prekäre Kontrolleure am Flughafen
Bundespolizei setzt auf den Flughäfen Hamburg und Bremen verstärkt Leiharbeiter für die Fluggastkontrollen ein. Ein Kontrolleur verklagt Bundespolizei wegen Lohndumpings auf Einstellung.
Wenn es darum geht, im Sinne der Flugsicherheit Bürgerrechte einzuschränken, gibt es kein Pardon. Wenn es jedoch um die Bezahlung der Flugsicherheits-Assistenten geht, die für die Fluggastkontrollen am Hamburger und Bremer Flughafen zuständig sind, sind Leiharbeit und Lohndumping selbst im sicherheitsrelevanten Bereich kein Problem. In einem "Pilotverfahren" hat nun ein Fluggastkontrolleur am Hamburger Airport die Bundespolizei vorm Arbeitsgericht verklagt, ihm den tariflichen Lohn nachzuzahlen, den ihm die Firma "Flug- und Industriesicherheits-Service und Beratungs GmbH" (FIS) vorenthält. "Der Mitarbeiter macht praktisch die Arbeit der Bundespolizei und hat somit ein Arbeitsverhältnis", sagt sein Anwalt Holger Thieß. "Er ist organisatorisch eng eingebunden."
Seit rund 15 Jahren ist die Bundespolizei - früher "Bundesgrenzschutz" - für die Sicherheit und Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben an den Flughäfen zuständig. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Fluggastkontrolle. In Hamburg werden die Passagierkontrollen an einer zentralen Kontrollstelle durchgeführt, wo die "normalen Passagiere" an acht Spuren abgefertigt werden. Zudem gibt es den Geschäftsflieger-Terminal, der von VIP-Passagieren und Piloten frequentiert wir, sowie einen Spezialabschnitt zum Aufspüren von Sprengstoffen.
Im Bereich der mehrstufigen Reisegepäck-Kontrollanlage werden Koffer in mehreren Kategorien kontrolliert, ausgesuchte Koffer einer Spezialprüfung mit Röntgengeräten und Sonden oder einer intensiven manuellen Nachkontrolle unterzogen.
In Hamburg weigert sich die Firma FIS, einen 2007 mit der Gewerkschaft Ver.di ausgehandelten Tarifvertrag umzusetzen. Den Beschäftigten entgehen bei 8,50 Euro pro Stunde monatlich 300 Euro.
Erste Proteste auf dem Hamburger Airport haben Ende Juli stattgefunden, als FIS-Beschäftigte auf der "Plaza" vor der Kontrollstelle protestierten.
250 Klagen der Betroffenen sind zurzeit bei den Arbeitsgerichten anhängig.
Zwei Pilotverfahren liegen beim Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung, nachdem FIS Revision gegen die Urteile des Landesarbeitsgerichts eingelegt hat.
In den vergangenen Jahren ist die Passagierkontrolle von der Bundespolizei mehr und mehr privatisiert worden. 2006 bekam die Firma FIS bei einer Ausschreibung als "Dienstleister" den Zuschlag, Sicherheitspersonal für den Hamburger und Bremer Airport zu stellen. In Hamburg sind rund 700, in Bremen 150 FIS-Mitarbeiter eingesetzt.
Jedoch als Dienstleister im engeren Sinne sei FIS gar nicht tätig, moniert Arbeitsrechtler Thieß: "Die Aufgabe der Firma FIS besteht vor allem darin, der Bundespolizei auf Anforderung billiges Personal für die Fluggastkontrolle zur Verfügung zu stellen." Bei allen Entscheidungen habe die Bundespolizei die Regie, teilweise werde mit Angestellten der Bundespolizei "Hand in Hand" gearbeitet - jedoch nur für 8,50 Euro, was wegen der geringen Wertschätzung nicht gerade motivationsfördernd ist. Sämtliche Einsatzgeräte würden überdies von der Bundespolizei gestellt, sodass von der Erbringung einer Dienstleistung keine Rede sein könne, sagt Thies. Für ihn sei das "klassische Leiharbeit". "Die Ausschreibung war eine Farce", kritisiert Thieß. Die FIS Mitarbeiter seien dem Prinzip "Heuern und Feuern" ausgesetzt.
Ungeachtet des tariflichen Rechtsstreits (siehe Kasten) stehen für Anwalt Thieß die ganzen "zweifelhaften arbeits- und gewerberechtlichen Konstruktionen zur Kosteneinsparung" weiter auf tönernen Füssen. Den Vorwurf der "illegalen Leiharbeit" nimmt Thieß inzwischen zurück. "Aktuell ist illegale Leiharbeit nicht mehr gegeben", sagt Theiß. Denn FIS hat im Dezember 2007 in Hessen - wie jetzt bekannt wurde - eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erhalten. Da sein Mandant jedoch vor der Erteilung der Genehmigung eingestellt worden ist, besteht für Thieß ein Arbeitsverhältnis mit der Bundespolizei, die ihn nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienst entlohnen müsse. Wenn das Gericht dem folgt, könnten das wohl alle FIS-Mitarbeiter geltend machen, so Thieß: "Da ist Zündstoff drin."
Der Sprecher der Bundespolizei am Hamburger Airport, Mike Lewerenz, hat Zweifel, ob die Bundespolizei der "adäquate Ansprechpartner" sei. Aber ein bisschen gespannt ist auch er auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland