Atomendlager Asse II: Nur ein bisschen Radioaktivität
Angeblich ist das Salzwasser aus dem Pannen-Atomendlager Asse II völlig ungefährlich. Dennoch fürchtet ein Ort in der Südheide um sein Image, wenn die Lauge dort künftig verklappt werden soll. Sein Dorf werde geopfert, sagt der Bürgermeister.
"Wir haben hier viel Natur", sagt Michael Cruse: Moore, Niederungen, Bäche, Wälder - der Bürgermeister der 1.000 Einwohner starken Gemeinde Höfer konnte bislang mit der lieblichen Lage des Ortes werben. Der liegt in der Südheide, rund 20 Kilometer von Celle und 50 von Hannover entfernt. Damit ist nun wohl Schluss: "Man sucht einen Ort aus, den man opfert", erbost sich der Sozialdemokrat Cruse. Bereits Ende Januar sollen im ehemaligen Kalibergwerk Mariaglück in Höfer Salzlaugen aus dem Pannen-Atomendlager Asse II gelagert werden. Das kündigte am Mittwoch Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BFS), an. Das BFS ist seit Jahresbeginn Betreiber der Asse.
Das Amt spricht von "Zutrittswässern", die praktisch keine radioaktive Belastung aufwiesen. Bürgermeister Cruse redet dagegen von einem "Schlag ins Genick" der kleinen Gemeinde: "Das ist doch immer ein Makel", sagt er, "auch wenn versichert wird, da ist nur ein bisschen Radioaktivität, aber das ist nicht gefährlich".
Die Asse-Laugen könnten Ausflügler abschrecken, aber es gebe darüber hinaus auch einen Imageschaden. Der gefährde zum Beispiel auch den Verkauf von 14 Bauplätzen in Höfer, sagt der Bürgermeister: "Die Leute sagen, dann baue ich eben 20 Kilometer entfernt." Für ihn ist klar: "Wir wollen nicht, dass das Zeug hier hin kommt."
Erst im Sommer hatten die Höfer davon erfahren, dass seit drei Jahren Lauge aus dem Atommülllager in der Grube Mariaglück entsorgt wird: Angeblich sind schon 6.000 Kubikmeter in den Tiefen des Schachts versenkt worden. "Da waren die Leute natürlich geschockt", sagt Bürgermeister Cruse.
Nur durch den Aufruhr um die mit Cäsium 137 verseuchten Laugen, die illegal in der Tiefe der Asse verklappt worden waren, war man im Juni auf die angeblich ungefährlichen Salzlaugen aufmerksam geworden. Jeden Tag dringen 12.000 Liter Grundwasser in das ehemalige Salzbergwerk Asse ein und verwandeln sich dabei in Lauge. Da die Asse nicht absaufen soll, müssen die Laugen abgepumpt werden (siehe Kasten).
Zielort war die in den 70er Jahren stillgelegte Grube Mariaglück, aber auch ruhende Kalischächte in Salzdetfurth bei Hildesheim und in Hope im Kreis Soltau-Fallingbostel. Seit den Pannen unter dem alten Betreiber, der Helmholtz-Gesellschaft, darf das Salzwasser die Asse nicht mehr verlassen.
Allerdings gerät das "Laugenmanagement" auf dem Asse-Gelände in der kommenden Woche an seine Kapazitätsgrenzen. Die Speicherbecken seien "randvoll", sagte König gestern. Da das BFS in anderen Gruben keine Lagermöglichkeiten mehr sieht, sollen demnächst die ersten Laugen-Lastwagen in Höfer anrücken. Das BFS arbeite an einer Einigung mit dem Mariaglück-Eigentümer, dem Düngemittelriesen K+S. Er habe, räumte König ein, keinen Plan B.
"Da kriegen sie kein Vertrauen mehr rein", sagt hingegen Bürgermeister Cruse. Auf einen Wert von 40 Becquerel habe man die Tritiumbelastung der Lauge aus der Asse inzwischen gesenkt, erklärte BFS-Chef König gestern auf einer Informationsveranstaltung in Höfer. Der zulässige Wert liege bei 140.000 Becquerel.
Auch der Arbeitskreis Mariaglück hat die Asse-Laugen in Höfer gemessen. Die Belastungen ähneln denen, die Atomkritiker bereits in Hope festgestellt hatten: bis zu 290 Becquerel Tritium-Aktivität, bis zu einem Becquerel Cäsium. Im Unterschied zu Messungen des TÜV vom November wurde kein Kobalt 60 mehr festgestellt. "Es ist nicht viel, aber es ist radioaktiv", sagt Jochen Dünnwald vom Arbeitskreis. Dem CDU-Ratsherrn aus Höfer ist dennoch nicht wohl bei den Plänen des BFS: "Wir wollen nicht, dass Lauge aus der Asse hier eingeleitet wird."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!