Offshore-Windparks: E.on macht das Watt platt
Beim Verlegen der Kabel für den ersten deutschen Windpark auf hoher See "Alpha Ventus" nimmt der Energieversorger wenig Rücksicht auf den Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer VON THOMAS SCHUMACHER
Sicherheitshalber führten die Verantwortlichen der Landesregierung die Unesco-Kommission, die derzeit an der Küste tourt, um über die Etikettierung des Wattenmeers als Weltnaturerbe zu befinden, nicht nach Hilgenriedersiel. Dabei geschieht derzeit Großes in dem kleinen Ort an der ostfriesischen Küste. "Die Verlegung der Kabel für den ersten deutschen Windpark ,Alpha Ventus' von der Küste, über Norderney ins offene Meer ist eine technische Pionierleistung", sagt die Sprecherin von E.on-Netz, Cornelia Junge. Dass für diese "Pionierarbeit" das streng geschützte Wattenmeer zerstört wird, davon will E.on nichts wissen: "Wir sammeln erste Erfahrungen," sagt Junge. Tatsächlich erzeugt die grüne Technologie "Windenergie" beachtliche Schäden im niedersächsischen Nationalpark.
Auf einer Fläche von mehreren Hektar wälzen zwei Bagger, ein Arbeitsboot, eine Arbeitsplattform als Kabelfräse und Kabelverleger und Jet-Boote, die die Arbeiter zum Einsatz bringen, das geschützte Watt um. In einer Tiefe von bis zu zwei Metern soll in einem 30 Zentimeter breiten Graben das Kabel für Alpha Ventus etwa vier Kilometer lang bis nach Norderney verlegt werden. Dort wird es durch eine Röhre über die Insel gezogen, um auf offener See an eine Art "Steckdose" angeschlossen zu werden.
Der Windpark kann dann von See aus hier "einstöpseln". Hinter Norderney kommt die besonders sensible Phase durch das so genannte Riffgatt. Hier ist der Boden zwar fest, dafür ist die Strömung unruhiger. Außerdem beginnt hier die Ruhezone des Nationalparks: Sie unterliegt strengem Schutz und darf eigentlich nicht betreten werden.
"Das Mischwatt zwischen Hilgenriedersiel und Norderney ist so wertvoll, weil hier im Vergleich zu anderen großen Lebensräumen am meisten Biomasse produziert wird", sagt Onno K. Gent, Umweltschützer und Mitglied der lokalen Bürgerinitiative "Wattenrat". Vereinzelt gibt es hier sogar noch Seegrasplätze, die letzten im Watt - natürlich streng geschützt.
"Die Spurrillen der Bagger, die Liegeorte der Arbeitsschiffe und die tiefe Fräsung für das Windparkkabel reißen metertiefe Furchen ins Watt. So entstehen Priele, die das Mischwatt zerschneiden und zerstören", sagt Gent. Die ehemals erlaubte 30 Zentimeter breite Kabelfurche habe sich zu einem zwei Meter breiten Graben ausgewachsen.
Obwohl jetzt schon seit zwei Wochen Ebbe und Flut über die Grabe- und Fahrspuren gespült sind, haben sich inzwischen regelrechte Strömungspriele gebildet. Die könnten, so ein Kabelverleger, sogar das Kabel wieder frei spülen.
"Es war uns allen klar, das solche Arbeiten Spuren hinterlassen werden", beschwichtigt Arndt Meyer-Vosgerau von der Nationalparkverwaltung. Das Ausmaß der Zerstörung wurde erst am Mittwoch bei einer Begehung klar. "Ich will jetzt gar nicht spekulieren, ob wir E.on neue Auflagen erteilen müssen. Aber wenn das Unternehmen die Arbeiten abbrechen müsste, um nach dem Vogelzug an gleicher Stelle weiter zu machen, wäre das ökologisch gesehen eine Katastrophe", sagt Meyer-Vosgerau.
Die diagnostizieren Naturschützer jetzt schon. "Es ist absurd, wie die vermeintlich umweltfreundliche Windenergie ein einzigartiges maritimes Biotop zerstört. Außerdem befinden wir uns mitten in der Hauptphase der Zugvögel-Wanderungen, da gilt absolute Ruhe vor Norderney", wettert Manfred Knake vom Wattenrat. E.on selbst versteht die Aufregung nicht: "Die Nationalparkverwaltung hat uns sogar eine noch viel eingreifendere Verlegungsmethode erlaubt", stellt die E.on-Sprecherin klar. Noch eine Woche lang dürfen E.on und das Baggerunternehmen "Ocean-Team" buddeln und fräsen, um das Kabel im Watt zu verlegen.
Ob das Kabel überhaupt benötigt wird, ob das 180 Millionen-Euro-Projekt "Alpha Ventus" jemals Wirklichkeit wird, ist derweil unsicher. Denn bislang war das Aufstellen der ersten Fundamente für die kirchturmhohen Windräder vor Borkum wegen starker Stürme nicht möglich. Die Stahlungetüme liegen derzeit noch in Wilhelmshaven an der Leine.
"Offiziell sollen bis 2013 Kabel für verschiedene Windparks auf See verlegt werden", sagt Onno K. Gent. "Wenn ich mir vorstelle, dass E.on so weiterarbeitet wie bisher, dann kommt einem das Grausen. Dann", so der Umweltschützer, "gibt es hier keinen zu schützenden Nationalpark mehr".
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