Niedersachsens "Buhmann" Schünemann: Ein Innenminister hebt ab
Niedersachsens Innenminister Schünemann (CDU) macht sich wenig aus der Kritik an seiner Ausländerpolitik. Doch nun hat die Abschiebung einer Kosovarin einen Entrüstungssturm losgelöst.
![](https://taz.de/picture/347009/14/cyber_FREI_hintergrund_weg_4spSW.jpg)
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann ist "gerne mal der Buhmann". Und so ließ er die Kritik an seiner rigiden Asyl- und Ausländerpolitik jahrelang über sich ergehen wie einen milden Frühlingsschauer. Doch nun hat die Abschiebung einer jungen Kosovarin in Wolfenbüttel einen parteiübergreifendes Entrüstungssturm entfesselt, das dem Black Sheriff aus Holzminden noch zu schaffen machen dürfte.
Auf Antrag der Grünen beschlossen die Fraktionen im Kreistag einmütig, die abgeschobene Frau und ihre beiden Kinder zurückzuholen und ihnen in Deutschland ein Bleiberecht zu verschaffen.
Es war eine dieser Szenen wie man sie aus finsteren Diktatoren-Filmen kennt. Die Ordnungskräfte rücken um drei Uhr nachts an, holen Elvira Gashi (21) und ihre zwei kleinen Mädchen aus dem Bett. Ihnen bleibt eine halbe Stunde Zeit, um ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen, ehe man das verschreckte Trio nach Frankfurt schafft, um dort sie in eine Maschine Richtung Balkan zu verfrachten.
Die Gashis müssen ein Bild des Jammers abgegeben haben. Urlaubsreisende sammelten Geld und Lebensmittel, sagt ihr Anwalt Dietrich Wollschlaeger. "Die hatten ja kein Geld, nichts zu essen und trinken". Im Flugzeug erwartete Frau Gashi der nächste Schock. Ein paar Reihen weiter saß ihr ebenfalls ausgewiesener ehemaliger Lebensgefährte, der Elvira Gashi seit der Trennung immer wieder misshandelt hat.
Als die Grünen die Horrorgeschichte im Landkreis publik machten, mochte selbst der Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg (CDU) seinem Parteifreund Schünemann nicht mehr folgen und plädierte für eine"humanitäre Lösung". Schünemanns Innenministerium sieht dafür allerdings keinen Spielraum. Sprecher Frank Rasche hält Elvira Gashi für "vollziehbar ausreisepflichtig", nachdem vier Asylverfahren der Kosovarin das Bleiberecht abgesprochen haben. Der Grund: Gashi habe schon einmal einer drohenden Abschiebung durch Flucht entzogen. Allerdings nicht freiwillig wie ihr Anwalt, Dietrich Wollschlaeger betont. Seine Klientin, die Anfang der Neunziger Jahren mit ihrer Familie aus dem umkämpften Kosovo nach Wolfenbüttel flüchtete, sei damals minderjährig und von ihrem Vater zum Untertauchen gezwungen worden. Seitdem habe sich Gashi nichts mehr zuschulden kommen lassen.
Diesen Umstand ignorierte die Ausländerbehörde ebenso wie die Tatsache, dass das Bleiberecht schon die Bedrohung durch den Partner seit 2005 ausdrücklich als Asylgrund definiert. Anwalt Wollschlaeger, der in diesem Zusammenhang wert auf die Feststellung legt, ein typischer Vertreter des bürgerlichen Lagers zu sein, vermutet hinter diesen "Nazimethoden" stecke eine Taktik.
Unter der Ägide des früheren Amtsleiter Klaus Krake galt die Ausländerbehörde Wolfenbüttel als vergleichsweise human im Umgang mit Flüchtlingen.
"Seit seiner Ablösung müssen alle Fälle dem Ministerium vorgelegt werden", weiß Wollschlaeger. "Da wird Dampf gemacht." Eine Einschätzung die Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Landtagsgrünen teilt. Auf einer Tour "durch 40 Ausländerbehörden habe ich mehrfach erfahren, dass das Innenministerium massiv Druck auf örtliche Behörden ausübt".
Doch der könnte demnächst auf Schünemann und Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zurückfallen. Seit ihrem Antritt 2004 häufen sich die Proteste untadeliger Vertreter des Rechtsgedankens wie dem Braunschweiger Bischof Friedrich Weber oder Ernst Gottfried Mahrenholz, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, der Niedersachsens Ausländerpolitik schon 2006 für "zu rigide" hielt.
Abhilfe schaffen sollte die Härtefallkommission, die noch im selben Jahr eingesetzt wurde, um ausländischen Staatsangehörigen, die nach den üblichen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes kein Bleiberecht haben, "aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen zu einem Bleiberecht zu verhelfen".
Zwölf Monate später kündigten die Vertreter der Wohlfahrtsverbände dem Innenminister zum ersten mal die Zusammenarbeit auf. Die Lage hatte sich nicht gebessert. Vor Kurzem traten die Kommissionsmitglieder in einen Streik, weil immer noch kaum ein Flüchtling die Chance habe, als Härtefall wahrgenommen zu werden.
Schünemann war not amused und beschimpfte die Kommission vor der Presse, als Menschen, die lieber arbeiten sollen, als Politik zu machen.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff fuhr seinem Innenminister in die Parade und versprach Besserung. Dann kam die Nacht von Wolfenbüttel und Schünemann war wieder der Buhmann…
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