Störfall: Die CDU macht den Atomspagat
Auch in Hamburg gerät die CDU wegen der Krümmel-Pannen unter Druck. Ihr neuer Kurs heißt: Atomkraft ja, Krümmel vielleicht eher nicht. Rot-rot-grün überbietet sich in Ausstiegsforderungen.
Viel Feind, wenig Ehr. In der Hamburgischen Bürgerschaft erlebte die CDU gestern etwas, was ihr im schwarz-grünen Hamburg lange nicht passiert war: Allein nicht nur gegen rot-rot, sondern auch gegen den grünen Koalitionspartner musste sie in das Feld der Debatte ziehen. Schuld daran: Der Krümmeler Pannenreaktor, der das Thema Atomausstieg auf der politischen Agenda wieder nach oben gespült hat.
Während die GAL sich gleich mit drei Abgeordneten und ihrer Umweltsenatorin Anja Hajduk an dem verbalen Schlagabtausch beteiligte, blieb es dem CDU-Bundestagskandidaten Rüdiger Kruse vorbehalten, für seine Partei den Alleinunterhalter zu spielen - auch Bürgermeister von Beust schwieg. Das Ergebnis: Windelweiche Formulierungen und eine Kernspaltung nach Art der Union: Man solle doch bitte, so Kruse, "die Debatte um die Zukunft der Kernkraft von der Diskussion um Krümmel trennen", mahnte er. Die Atomkraft werde "für eine Übergangszeit gebraucht", Krümmel vielleicht aber nicht. So klang auch Kruses Ausstiegsforderung an Vattenfall wenig donnernd: "Wenn Sie dieses Kraftwerk nicht in den Griff bekommen, dann schalten Sie es doch ab."
Kruses Gegenspieler hingegen überboten sich bei dem wiederentdeckten Wahlkampfthema mit markigen Forderungen. "Ein alter störanfälliger Reaktor, in dem es ständig knallt und brennt, geführt von einem unzuverlässigen und unfähigen Betreiber - das ist unzumutbar", sprach GAL-Fraktionschef Jens Kerstan tief aus rot-rot-grüner Seele.
Deshalb sei es "unverantworlich, so ein Kraftwerk wieder ans Netz zu lassen" meinte Jenny Weggen (GAL). Die "sofortige Stillegung von Krümmel sei unabdingbar", fand Dora Heyenn (Die Linke). Notwendig sei "die Überprüfung der Zuverlässigkeit des Betreibers", so Anja Hajduk (GAL), an der Monika Schaal (SPD) "erhebliche Zweifel" äußerte - weil ihm "die Sorgfalt fehlt, ein solches Kraftwerk zu betreiben" wie Kerstan sekundierte.
Zudem müsse die CDU bekennen, "ob sie Atomkraft will oder nicht", forderte Ingo Egloff (SPD), doch sei eigentlich klar: "Die CDU will von der Verlängerung der Laufzeiten nicht lassen", so Monika Schaal (SPD). Deshalb werde man "den Atomausstieg auch gegen Sie, Herr von Beust, durchsetzen", drohte Kerstan.
Gut bei so viel Wahlkampfgetöse, dass Hajduk bemerkte, dass die heiß diskutierenden Hamburger Abgeordneten "keinerlei Kompetenz" hätten, Krümmel stillzulegen und Vattenfall die Betriebserlaubnis zu entziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren