Streitgespräch zwischen Demonstranten und Innnensenator: "Wir wollen eine zivile Polizei"
Am 13. Dezember wurde eine Demonstration erst verboten, dann die Demonstranten eingekesselt - Anlass für ein Streitgespräch zwischen Ulrich Mäurer, Gilljen E. Theisohn und Bernhard Stoevesandt
taz: Sie werden wieder demonstrieren. Worum geht es?
Bernhard Stoevesandt: Es geht um eine zunehmend repressive Stimmung in der Gesellschaft. Das ist staatlich bedingt, aber es gibt auch andere Faktoren. Überall hängen Kameras, es ist kein Problem, solche Filme ins Internet zu stellen, jeder Arbeitgeber kann solche Filme sehen. Das führt zu einer ungeheuren Einschüchterung. Für die Demonstration am 13. Dezember gab es auch andere Gründe, zum Beispiel die Behandlung der Frankfurter Fußball-Fans. Es gab das Urteil gegen den Arzt, der das Brechmittel verabreicht hat und freigesprochen wurde mit der Begründung, er sei überfordert gewesen von seiner Arbeit. Das ist doch ein klares Signal: Wenn jemand etwas im Auftrage der Polizei tut, geht er kein Risiko ein, selbst wenn dabei ein Mensch zu Tode kommt. Jetzt wird auch noch die Demonstration gegen solche Zustände verboten. Das geht so nicht.
taz: Das klingt so, als ginge es darum, Dampf abzulassen. Was ist das Ziel einer solchen Demo?
Stoevesandt: Es geht um die Inhalte. Wir wollen eine Gesellschaft nicht, in der alle das Gefühl haben müssen, dass sie immer überwacht werden könnten und Repressalien drohen.
taz: Herr Mäurer, verstehen Sie, dass es so eine Stimmung gibt unter jungen Leuten?
Ulrich Mäurer: Ich habe meine Probleme damit. Ich sehe die Schwierigkeiten beim Thema Internet. Der Schutz der Persönlichkeit wird in massiver Weise beeinträchtigt. Ich bin auch überrascht, wie viele selbst Bilder von sich ins Internet stellen. Das Medium hat aber nichts mit Polizei zu tun. Wenn Polizeikräfte bei Demonstrationen aufnahmen machen, dient das allein der Beweissicherung in möglichen strafrechtlichen Verfahren. Bilder werden von der Polizei nicht ins Internet gestellt.
Gilljen Theisohn: Mit dem Vermummungsverbot hindert die Polizei die Demonstranten daran, sich gegen diese private Überwachung zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht sagt klar, dass Vermummung nur dann verboten ist, wenn sie dem Zweck dient, sich der polizeilichen Identifizierung zu entziehen.
Mäurer: Wir bereiten gerade ein neues Versammlungsgesetz vor, das geht weiter davon aus, dass man, wenn man demonstriert, auch erkannt werden soll und muss. Es widerstrebt mir völlig, wenn jemand sagt, ich muss mich vermummen, weil sonst ein Schutz der persönlichen Daten nicht gesichert ist.
Theisohn: Die Technologie hat sich rasant geändert. Und da müssen sie überlegen, ob das totale Vermummungsverbot noch den technischen Möglichkeiten privater Kontrolle entspricht. Sie müssten einen Schutz für DemonstrantInnen schaffen.
taz: Der Streit hat sich entzündet am Demonstrationsverbot für den 13. Dezember.
Theisohn: Die Begründung berücksichtigt an keiner Stelle die Erfahrungen mit Bremer Demonstrationen in den letzten zehn Jahren. Das können diejenigen, die da ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen wollten, nicht akzeptieren.
Mäurer: Wir haben mit Demonstrationen in Bremen keine Probleme. Aber am 13.12. wurde kein Weg gefunden, diese Demonstration so zu organisieren, dass sie nicht mit den anderen Veranstaltungen des Tages kollidierte. Das war das Fußballspiel und vor allem der Weihnachtsmarkt, die Innenstadt war voll von Besuchern. Sicherlich, da hätten Sie das Publikum für Ihre Demonstration gefunden…
Theisohn: Genau, man will die Menschen erreichen und eine politische Diskussion anregen. Wir haben auf die Obernstraße verzichtet…
Mäurer: Sie wollten zwischen 14 und 18 Uhr unbedingt durch die Violenstraße demonstrieren.
taz: Die Polizei hatte Angst, dass dann plötzlich jemand die Tasche aufmacht und Steine wirft im Schutz der Touristen.
Stoevesandt: Warum? Wir fragen: Wann war das denn zum letzten Mal so, dass es bei einer Demonstration gekracht hat? Warum sollte das so sein?
Mäurer: Diese Vorstellung, da, wo Tausende zum Weihnachtsmarkt wollen, eine Demonstration zu erlauben, erschien uns höchst fahrlässig. Ich stehe für eine zivile Polizei und bürgernahe Polizei. Unsere Beamtinnen und Beamten wären froh, wenn sie ihre Wochenenden angenehmer verbringen könnten als im ständigen Einsatz auf der Straße.
taz: Aber wenn es das Ziel der Demonstration ist, ihre Flugblätter zu verteilen?
Mäurer: Dafür muss nicht ein geschlossener schwarzer Block durch die Straßen laufen. Wir hatten auch erhebliche Zweifel, dass der, der die Demonstration angemeldet hat, überhaupt Herr des Verfahrens war und dass sich jemand für den Verlauf der Veranstaltung verantwortlich fühlt. Auch die Gerichte haben auf Grund der Aufrufe und Plakatierungen nicht geglaubt, dass es bei der Demonstration nur um Meinungsäußerung ging.
Stoevesandt: Wir demonstrieren hier gegen staatliche Gewalt und Gewalt der Polizei, und der Polizei gefällt das nicht, sie legt eine Gefahrenprognose vor, mit der das verboten werden kann. Die Richter sind auf die Gefahrenprognose aus ihrem Hause angewiesen. Dann hat es aber eine Demonstration gegeben - sogar durch die Obernstraße, also genau den Weg, von dem Sie sagen, das durften wir unter keinen Umständen erlauben. Und ist etwas passiert? Hat sich die Gefahrenprognose bestätigt? Worauf hat sich sich die Prognose gestützt?
taz: Der Innensenator sagt, dass er nur verhindern muss, dass hier große Unglücke passieren, dass er freie Meinungsäußerungen eigentlich schützen und ermöglichen will. Glauben Sie ihm das?
Stoevesandt: Ich messe Leute an Taten. In der letzten Zeit war mein Eindruck nicht, dass die Polizei wesentlich bürgerfreundlicher und ziviler geworden wäre.
taz: Herr Mäurer, was ist mit den Personendaten, die nach dem Polizeikessel am 13.12. aufgenommen wurden? Kommen die in die Gewalttäterdatei? Werden die gespeichert?
Mäurer: Nein.
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