HAFENARBEITER WEDEN AUF DUMPINGLÖHNE GESETZT: Ende der Solidarität im Hafen
Der Gesamthafen-Betriebsverein wird von der Flaute an den Kajen in die Krise gerissen: Betroffene Arbeiter demonstrierten am Samstag gegen Betriebsrat und Ver.di
Das letzte Mal protestierten sie 2006, als die EU zulassen wollte, dass ausländische Seeleute zu Dumpinglöhnen ihre Ladungen selber löschen. Zu Tausenden demonstrierten die Bremerhavener Hafenarbeiter damals gegen die "Port Package II" genannten Liberalisierungspläne - und hatten Erfolg. Die Billiglöhner blieben am Kai außen vor, "Port Package II" wurde nicht umgesetzt.
Am Samstag protestierten sie wieder und diesmal sieht es ganz danach aus, dass die Beschäftigten des Bremerhavener Gesamthafenbetriebsvereins (GHB) bald selbst zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen. Ein Beschäftigten-Komitee namens "Wir sind der GHB" hatte zu der Protestkundgebung aufgerufen, die sich auch gegen Ver.di und den eigenen Betriebsrat richtete. Der nämlich hat Ende Juni mit dem Arbeitgeber GHB einen Sozialplan ausgehandelt: 103 Beschäftigte sollten zu Ende Juli entlassen werden, weitere 217 bekamen Änderungskündigungen. Sie sollen in Zukunft nicht mehr in Bremerhaven, sondern in Bremen arbeiten - und zwar für acht anstatt wie bislang rund 15 Euro pro Stunde.
"Das kann man nicht ,sozial' nennen", sagt Andreas Hoeborn, Aktivist des Komitees. Zu ihrer Kundgebung kamen am Samstagmorgen rund fünfzig Arbeiter bei strömendem Regen in den Hafen. Bis zur Abschlusskundgebung wuchs der Zug auf rund 200 Personen an. Redner griffen den "Hartz IV-Sozialplan" scharf an - denn die neuen Löhne sind so niedrig, dass die Arbeiter selbst mit einer vollen Stelle künftig als so genannte "Aufstocker"-Leistungen der Bagis beantragen müssen.
Die Weltwirtschaftskrise hat den GHB - einen großen Bremer Hafenarbeiter-Verleiher - hart getroffen. Er unterhält einen Pool von Fachkräften, die von Unternehmen bei Bedarf angefordert werden. Gibt es für sie keine Arbeit, dann werden die GHB-Beschäftigten aus der so genannten Garantielohnkasse bezahlt. So gleicht der GHB die Konjunkturschwankungen im Hafengeschäft aus. Doch schon im Frühjahr drohte die Insolvenz. Damals gingen 800 befristet Beschäftigte.
198 Kündigungsschutzklagen sind inzwischen beim Arbeitsgericht eingegangen. "Das ist in diesem Umfang neu für uns", sagt dessen Sprecher Michael Grauvogel.
"Mit acht Euro Stundenlohn würde das Bruttogehalt im Bereich des Arbeitslosengelds liegen", sagt der Arbeitsrechtler Ortwin Krause, der 50 GHB-Leute als Anwalt vertritt. "Das ist für die Betroffenen existenzbedrohend." Kritisch sieht Krause auch die Verkürzung der Kündigungsfrist auf einen Monat. Zudem hält er die Abfindungen, die der GHB den entlassenen Mitarbeitern zahlen will, für "haarsträubend niedrig".
Die Wut der Demonstranten richtet sich vor allem gegen den Betriebsrat. Viele Beschäftigte haben eine Resolution unterschrieben und ihn zum Rücktritt aufgefordert - "wegen der Zerrüttung der Vertrauensbasis", wie Anwalt Krause erklärt.
Der Vorsitzende Peter Frohn weist die Kritik von sich: "Ich wollte nicht zugucken, wie das Unternehmen abgewickelt wird", sagt er. Durch die Einschnitte habe man den GHB vor der Insolvenz bewahrt.
Angesichts der schlechten Stimmung sorgt er sich um das Image des GHB. Der Krankenstand sei hoch, einige verweigerten sich. "Was dort passiert, verschlägt uns den Atem", sagt Harald Bethge, Landesfachbereichsleiter Verkehr bei Ver.di. Es sei wichtig, Mitarbeiter schnell und mit verkürzter Kündigungsfrist zu entlassen, um das Unternehmen handlungsfähig zu halten, argumentiert er. Auch die geringe Abfindung hält er für gerechtfertigt: Sie orientiere sich an der Garantielohnkasse des GHB. Die könne man nicht komplett für Abfindungen leeren. Schließlich müsse weiter Lohn gezahlt werden, wenn Unternehmen wegen Auftragsflauten keine GHB-Leute anfordern. "Es war einfach nicht mehr Geld da", sagt Bethge.
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