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Chaos Computer Club zu Sicherheit im Netz"Wir brauchen keinen alles kontrollierenden Geheimdienst"

Spionagesoftware wird zu einem immer größeren Problem, sagt Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC). Doch Schutz ist möglich.

Bald auch virtuell: die Online-Überwachung verärgert die Bürger. Bild: AP
Felix Lee
Interview von Felix Lee

Im Interview: 

CONSTANZE KURZ, 34, forscht und lehrt an der Humboldt-Uni zu Überwachungstechnologien. Sie ist Sprecherin des Chaos Computer Clubs.

Sicherheit im Netz

Mit dem neuen BKA-Gesetz dürfen Bundeskriminalbeamte künftig private Computer von Unverdächtigen ausspähen. Das bringt nicht zuletzt die Hacker-Szene auf die Palme. Die umstrittene Online-Durchsuchung ist deswegen auch Thema auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs, der am Samstag im BCC am Alexanderplatz beginnt.

taz: Frau Kurz, wie weit sind wir vom gläsernen Internetnutzer entfernt?

Constanze Kurz: Nach den vielen Gesetzesverschärfungen der vergangenen Jahre sind wir ihm sehr nahe, technisch sowieso. Allerdings betrifft das nur die Masse. Wer sich schützen will, kann dies auch künftig ganz gut tun.

Das neue BKA-Gesetz erlaubt Bundeskriminalbeamten die Online-Durchsuchung. Womit muss ich als Normalnutzer künftig rechnen?

Auch vor dem Inkrafttreten des neuen BKA-Gesetzes sind uns Fälle bekannt geworden, bei denen unbescholtene Bürger ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten sind. Das dürfte sich nun verstärken. Jeder von uns muss damit rechnen, dass auf dem eigenen Rechner ein Bundestrojaner installiert wird. Dennoch: Die Online-Durchsuchung wird kein Massenüberwachungsmittel sein. Dafür ist sie zu teuer und technisch zu aufwendig.

Für die Momentaufnahme mag das zutreffen. In ein paar Jahren könnte die Technik aber schon ganz anders aussehen.

Da haben Sie Recht. Und die Telefonüberwachung ist ein gutes Beispiel, wie sich die Überwachung sukzessiv ausgeweitet hat, nachdem sie zugelassen wurde. Allein im vergangenen Jahr haben die Ermittlungsbehörden in Berlin über eine Million Telefongespräche abgehört. Beim Bundestrojaner dürfte das letzte Wort aber noch nicht gesprochen sein. Das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich erneut prüfen müssen, ob das neue BKA-Gesetz verfassungsrechtlich Bestand hat. Schließlich haben sich die Gesetzgeber nicht so ganz an die höchstrichterlichen Vorgaben gehalten.

Landeskriminalbeamte durften das Instrument der Online-Überwachung schon seit einiger Zeit nutzen. Was ändert sich, wenn das BKA das nun darf?

Sehr viel. Denn auch die Online-Überwachung auf Landesebene ist verfassungsrechtlich bedenklich und in einigen Bundesländern deswegen gesetzlich nicht geregelt. Nun wird das BKA diese Arbeit übernehmen. Berlin mit seiner vitalen linken Szene und seinen vielen anderen kritischen Geistern dürfte besonders im Visier stehen.

Wie kann ich mich vor der drohenden Online-Überwachung schützen?

Zunächst sollte jeder sehr genau darauf achten, was auf seinem Rechner an Daten rein- und rausgeht. Spezielle Werkzeuge, die den Datenverkehr kontrollieren, gibt es zuhauf. Darüber hinaus kann ich nur empfehlen, auf freie Software umzusteigen. Das BKA arbeitet vor allem mit Spionagesoftware, die auf Windows-Systemen basieren. Bei freier Software wird die Installation von Spionagesoftware für die Behörden deutlich schwieriger.

Gibt es beim CCC Bemühungen, diesem Bundestrojaner auf die Spuren zu gehen?

Wenn sich jemand an uns wenden würde, der einen Bundestrojaner auf seiner Festplatte hat, würden wir schon gerne einen Blick darauf werfen. Wegen der technischen Schwierigkeiten wird es aber wohl noch eine Weile dauern, bis der Bundestrojaner zum Einsatz kommt.

Klingt so, als würden Sie sich gut auskennen. Bei Ihnen gab es noch keinen Anwerbeversuch?

Wir hatten tatsächlich CCC-Mitglieder, die von Anwerbeversuchen des BKA berichtet haben. Sie haben dankend ablehnt. Zugleich will ich betonen, dass wir nicht prinzipiell gegen Sicherheitsbehörden sind. Schließlich wollen auch wir, dass Verbrecher bekämpft werden. Mit der Online-Durchsuchung sind die Gesetzgeber aber über das Ziel hinausgeschossen. Einen alles kontrollierenden Geheimdienst, der seine Mitbürger ausspioniert, brauchen wir nicht.

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