Werbeexperte soll CDU aufpeppen: Wider den Wurstbudenmief
Die Doppelstrategie der Union: Landeschef Henkel befriedet die zerstrittene Partei, Werbeexperte und Quereinsteiger Thomas Heilmann bringt sie inhaltlich auf Trab.
Thomas Heilmann ist als erfolgreicher Werber nicht unbedingt einer, der in engen Grenzen denkt. Aber auch ein Kreativer kann sichtlich nicht alle Stereotype aus seinem Kopf bannen. Dass im taz-Café - Schublade: alternativ, öko, links - kein Müsli auf der Karte steht und auch kein frisch gepresster Orangensaft, dass verwirrt ihn schon etwas. Er könnte nun verärgert vorschlagen, den Ort zu wechseln. Stattdessen wählt der 45-Jährige Kuchen und stilles Wasser. Ungefähr so muss man sich vorstellen, wie Heilmann als neuer Parteivize die Berliner CDU an die Regierung bringen will: mit dem, was vorhanden ist; mit denen, die schon an Bord sind.
Noch kein dreiviertel Jahr ist es her, dass die Union wieder mal versuchte auf die Beine zu kommen. Vier Vorsitzende hatte sie verschlissen, seit sie 2001 im Zuge des Bankenskandals unterging, von 41 auf 23 Prozent abrutschte. Immer neue Querelen entzweiten die Partei. Auch der neue Vorsitzende Frank Henkel schien die Partei eher zu spalten als zu einen. Die Nominierung des 46-Jährigen rief breite Kritik hervor, in Steglitz-Zehlendorf trat gar der örtliche CDU-Fraktionschef zurück. Begründung: Henkels Wahl bedeute das vorläufige Ende des Konzepts der liberalen Großstadtpartei. In ihrer Führung halte sich der Wurstbuden-Duft, stellte die Süddeutsche Zeitung fest.
Henkel wird von seinen Gegnern oft als kleinbürgerlich und als rechter Hardliner abgetan. Er kultiviert auch tatsächlich gern das Image des Mannes, der nah an den Leuten dran ist, der Tacheles redet. Fürs Kreative und Strategische gibt es ja Leute wie Heilmann. Als Henkel im März zum Parteitag seine neue Führungsmannschaft vorstellte, war Heilmann - begüterter Mitbegründer der Werbeagentur Scholz & Friends - die größte Überraschung. Heilmann trat zwar schon mit 16 in die CDU ein und fungierte mal als Internetsprecher der Partei. Aber landespolitisch war er ein neues Gesicht.
Die Skepsis nach Heilmanns Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden war verständlich. Quereinsteiger, die die Partei aufpeppen sollten, hatte die CDU schon mehrfach erfolglos nach vorne geschoben. Christoph Stölzl etwa, der frühere Museumsdirektor und Feuilletonist, angenehm im Umgang, aber manchmal zu sehr über den Dingen schwebend. Er konnte als Parteichef mit seiner Idee von Bürgerlichkeit nie richtig andocken. Friedbert Pflüger, Spitzenkandidat 2006, kam zumindest direkt aus der Politik. Doch er hatte keine Hausmacht, um sein Projekt einer Jamaika-Koalition voranzubringen. Gar nicht zu bemerken war der vier Jahre als Parteivize amtierende Chef des Unfallkrankenhauses Marzahn, Axel Ekkernkamp.
Dieses Mal scheint es anders zu laufen. Heilmann spricht - und Heilmann wird gehört. Er äußerte sich bundes- wie landespolitisch. Er brachte einen Lenkungsrat "Strategie Abgeordnetenhauswahl" auf den Weg und forderte eine schonungslose Analyse der CDU-Misere. Er stellte ein Wirtschaftskonzept vor. All das soll mit den Mitgliedern geschehen, "nicht top-down, von oben verordnet, damit erreichen Sie auch in einem Unternehmen nichts", betont Heilmann.
Es ist nicht so, dass die Partei Wachs in seinen Händen wäre. Im vergangenen März stimmten zwar mehr als 92 Prozent der Delegierten für ihn. Als Heilmann aber jüngst ungewohnte Töne zum Thema Migration anschlug - "Wir brauchen den Islam! Und sollten ihn nicht bekämpfen" -, war das nicht jedermanns Sache. Bei einem kleinen Parteitag Anfang April erwartet ihn eine intensive Debatte.
Seit Henkels und Heilmanns Wahl hat sich die CDU tatsächlich ein Stück weit erholt. Gemessen an früheren Ergebnissen sind die 25 Prozent natürlich lächerlich, die die Union in der jüngsten Umfrage Mitte Dezember holte. Aktuell zählt aber der Vergleich mit den anderen Parteien, und der fällt gut aus. Mit diesen 25 Prozent ist sie stärkste Kraft in Berlin, wo sich vier Parteien um die 20-Prozent-Marke herum drängen. Im Herbst 2008 war die Union auf 18 Prozent abgerutscht. "Der ganz große Ruf nach der CDU ist noch nicht da", räumt Heilmann ein, "aber wir haben ja auch erst vor einem halben Jahr angefangen."
Sogar bundespolitisch hat sich das Standing des Landesverbands vergrößert. Monika Grütters, Henkels erste Stellvertreterin, wurde jüngst Chefin im Kulturausschuss des Bundestags - seit gefühlten Ewigkeiten hatte die Berliner CDU dort keinen Ausschussvorsitz mehr.
Das eigentlich Überraschende ist aber vor allem, dass es so wenig Streit gibt in der Führungsriege, dem neu geschaffenen Präsidium, wo sich die großen Egos der Parteien ballen. Außerdem mosert noch keiner nennenswert über Heilmanns große Medienpräsenz. "Dass es klappt, liegt an Frank Henkel", sagt Heilmann, "der hat starke integrative Fähigkeiten und hält den Laden zusammen."
Das klingt erst mal wie eine Sprechblase. Es gibt aber bislang kein spitzes Wort, das diese Blase zum Platzen bringen könnte. Für Heilmann alles eine Frage des Erfolgs: "Solange die anderen das Gefühl haben, der Heilmann schießt uns ein paar Tore, bin ich ich auch erwünscht."
Zu den anderen gehört Frank Steffel, ebenfalls einer der vier Parteivizes, Bundestagsabgeordneter und 2001 sehr erfolgloser Spitzenkandidat. "Alle Verantwortlichen haben erkannt, dass sich etwas ändern muss und dass es ohne Zusammenarbeit nicht geht", sagt Steffel. Das mit der Zusammenarbeit gilt für ihn sichtlich nicht nur parteiintern. Auf der Suche nach Mehrheiten bei der kommenden Abgeordnetenhauswahl hat er vor allem die Grünen im Blick.
Ins Schwärmen kommt Steffel, wenn er von einer Diskussionsrunde mit der jungen Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann erzählt. "Super sympathisch" sei ihm die 24-Jährige gewesen - dabei habe man sie ihm zuvor als "super links" beschrieben. Auch Herrmann erinnert sich an eine gute Diskussion. Eine Koalition mit der CDU steht auf ihrer Prioritätenliste zwar weit unten. "Aber jetzt etwas völlig auszuschließen, wäre falsch."
Steffel würde am liebsten nur mit den Grünen und ohne die FDP regieren. Die ist für ihn eine bloße Klientelpartei. Schwarz-Grün nennt er "eine realistische Option". Seine Rechnung: 25 Prozent plus x für die CDU, die Grünen mehr als 20, das könne reichen. "Wir sind keine Grünen-Fresser", sagt Steffel. "Ich kann den Grünen nur empfehlen, sich von ihrem CDU-Feindbild zu verabschieden." Selbst Heilmann, der sich "Mitte-links" bei der CDU einordnet, wirbt nicht so explizit um die Grünen - er will erst mal die Union stärken und dann sehen, was machbar ist.
Ob die CDU auch nur in die Nähe der Macht kommt, bleibt offen. Eines aber haben Henkel als Befrieder und Heilmann als Vordenker der Partei geschafft: Der von der Süddeutschen konstatierte Wurstbudengeruch hat sich ein bisschen verzogen, und das nicht nur wegen Heilmanns Wunsch nach Müsli im taz-Café.
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