Service-Hölle: Staatsanwalt scheitert an Jobcenter-Hotline
Die Berliner Staatsanwaltschaft wollte bei einem Mitarbeiter des Jobcenters anrufen - und machte dann die gleiche Erfahrung wie Millionen Hartz-IV-Bezieher: Lange Wartezeit, keine Durchwahlnummer und geballte Inkompetenz.
Die Staatsanwaltschaft Berlin ist sauer. In einem Brandbrief an den Geschäftsführer des Jobcenters Charlottenburg-Wilmersdorf bittet sie darum, "die dortigen Mitarbeiter ernsthaft darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Verhalten nicht hinnehmbar ist".
Was war passiert? Das Jobcenter hatte ein Rentner-Ehepaar im Visier. Die beiden sollen Vermögen verschwiegen haben, um zu unrecht die Grundsicherung für Rentner zu kassieren. Das Jobcenter schrieb eine Strafanzeige. Der zuständige Staatsanwalt hatte noch eine Rückfrage und wollte die Sachbearbeiterin anrufen - und stand nunmehr vor dem gleichen Problem, das Millionen Hartz-IV-Empfänger kennen.
"Aus völlig unverständlichen Gründen ist in der dortigen Strafanzeige nicht einmal eine Durchwahlnummer der zuständigen Sachbearbeiterin angegeben", beklagt die Staatsanwaltschaft in ihrem Brief vom November 2008, den Carsten Hoenig, der Anwalt des Renter-Paares, jetzt veröffentlichte. Als nächstes probierte der Staatsanwalt den Weg über die Jobcenter-Hotline und kam "nach ca. 10-minütiger Wartezeit" auch endlich durch. Die Hotline wollte die Durchwahlnummer der zuständigen Mitarbeiterin allerdings nicht herausgeben, denn es gebe "eine Weisung, dass man keine entsprechenden Mitteilungen machen dürfe". Die Telefonistin wollte auch nicht zum Vorgesetzten der Mitarbeiterin verbinden. Sie wollte auch den Namen ihres eigenen Vorgesetzten nicht nennen.
Bei dem Staatsanwalt entstand der Eindruck, dass man ihn "offensichtlich nicht ernst nahm", obwohl er "mehrfach darauf hinwies, dass er in seiner dienstlichen Funktion als Staatsanwalt anrief", heißt es in dem Brief. Nicht nur sei ein "derartiges Verhalten nicht hinnehmbar", sondern er bittet auch darum, dass künftig "auch persönliche Rückrufnummern zu dortigen Bediensteten angegeben werden, um entsprechende Rückfragen beschleunigt klären zu können".
So geschah es dann auch. Aufgrund der "berechtigten Beschwerde" hat der Jobcenter-Leiter Johannes Langguth die Mitarbeiter "daran erinnert, bei Korrespondenzen mit anderen Behörden ihre telefonische Durchwahl anzugeben", sagte Jobcenter-Sprecher Uwe Mählmann auf taz-Anfrage.
Die Hartz-IV-Empfänger dagegen bekommen auch weiterhin keine Durchwahlen. Man wolle, dass die Mitarbeiter, die als Arbeitsvermittler tätig sind oder Anträge bearbeiten, "nicht durch Telefonate gestört werden", sagt Mählmann: "Wenn man in einem persönlichen Beratungsgespräch ist, dann darf nicht dauernd das Telefon klingeln."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen