Roma verlassen Flüchtlingsheim: Senat überredet Roma mit Geld
Rund 100 Menschen kriegen Geld für Rückreise. Unterstützer vermissen Hilfe.
Nach einer mehrwöchigen Odyssee durch Berlin haben rund 100 Roma am Donnerstag das Flüchtlingsheim Spandau verlassen. "Wir gehen davon aus, dass sie in ihr Heimatland zurückkehren oder weiterwandern", sagte eine Sprecherin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) der taz. Die Zusage, Berlin zu verlassen, hat sich die Sozialverwaltung eine Kleinigkeit kosten lassen: 250 Euro pro Erwachsener und 150 Euro für jedes Kind über 14 Jahren. Dabei handele es sich "ausdrücklich um zweckgebundenes Geld, ausschließlich für Fahrtkosten bestimmt", betonte Sprecherin Karin Rietz. Bei der Auszahlung im Rathaus Mitte müsse das durch Unterschrift bestätigt werden. "Wer das Geld nicht für Fahrtkosten verwendet, muss es zurückzahlen."
Der Flüchtlingsrat stellt den Sachverhalt in einer Presseerklärung so dar: Den Betroffenen sei im Fall einer Weigerung, die Unterkunft im Flüchtlingsheim zu verlassen, "nach unseren Informationen mit polizeilicher Räumung gedroht" worden, sagte Flüchtlingsratsprecher Jens-Uwe Thomas. Der Migrationsrat Berlin-Brandenburg erklärte, die über 100 Roma seien nun wieder obdachlos. "Ob die Familien ihre Kinder behalten dürfen, wo sie eine Bleibe finden, ist ungewiss", so Sprecher Pavao Hudik. Seine Forderung für die Familien: eine feste Wohnmöglichkeit in Form einer Adresse, soziale und medizinische Versorgung, Schul- und Kindergartenbesuch sowie finanzielle Unterstützung in Form von Sozialhilfe.
Knake-Werners Sprecherin Rietz wies das als "wenig hilfreich" zurück. Während ihres Aufenthaltes seien die Roma von Unterstützerkreisen "in hohem Maße" durch Fehlinformationen verunsichert worden. Auch die Leute vom Bethanien, wo die Roma zuerst aufgenommen worden waren, hätten ihnen suggeriert, alle erdenklichen Ansprüche zu haben. Die Unterbringung im Flüchtlingsheim sei von Anfang an auf eine Woche befristet gewesen. Nun seien es sogar zwei Wochen geworden.
Auch mit Räumung sei nie gedroht worden, so Rietz. Allerdings habe man den Roma verdeutlicht, dass sie als EU-Bürger selbst für Unterkunft und Krankenversicherung sorgen müssten. Dies könnten sie jedoch nicht. Ein Präzedenzfall sei durch die Zahlung der Rückkehrpauschale nicht geschaffen worden, meinte die Sprecherin. "Das war eine einmalige Unterstützung in einer Notsituation."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Klimaschützer zu Wahlprogrammen
CDU/CSU und SPD fallen durch, Grüne punkten nur wenig