piwik no script img

Laxer Umgang mit Öko-VorgabenSenat schreibt die Umwelt ab

Seit einem halben Jahr muss der Senat beim Einkauf von Produkten und Dienstleistungen auch ökologische Kriterien berücksichtigen - so hat es das Abgeordnetenhaus beschlossen. Doch der Senat hält sich bei seinen Ausschreibungen nicht dran

Schaltet den klaren Blick auf ökologische Kriterien trotz aller Vorgaben manchmal aus: der Berliner Senat im Roten Rathaus. Bild: ap

Es war eine ungewöhnlich breite Mehrheit im Abgeordnetenhaus: SPD, Linke, CDU und Grüne beschlossen am 14. Februar 2008, dass der Senat künftig bei seinen Einkäufen nicht nur nach dem Preis fragen soll - sondern auch nach den Auswirkungen auf die Umwelt. Bei europaweiten Ausschreibungen müssen ökologische Anforderungen ab Juni 2008 "zu einem Drittel als zuschlagsentscheidende Kriterien genannt werden", so der Beschluss.

Die taz hat überprüft, wie der Senat diesen Beschluss umsetzt. Seit Juni gab es 109 Ausschreibungen der Senatsverwaltungen, die die Europäische Union auf ihrer Webseite veröffentlicht hat. Doch nur bei fünf von ihnen ist angegeben, dass ökologische Kriterien berücksichtigt werden. Und wenn diese berücksichtigt werden, dann nur zu 5 bis 20 Prozent - und nie zu 33,3 Prozent, wie vom Abgeordnetenhaus beschlossen (siehe Übersicht in der links im Kasten verlinkten XLS-Datei).

Ein Beispiel: Am 30. Dezember veröffentlichte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die Ausschreibung für die "Wartung von öffentlichen Beleuchtungseinrichtungen und Verkehrsampeln". Jedes Unternehmen, das sich um die 224.000 Lampen kümmern will, muss nicht nur angeben, wie viel Geld es dafür bekommen möchte. Sondern auch, wie viel Energie das Unternehmen bei der Modernisierung der Beleuchtung einsparen kann. Außerdem wird ein Konzept für Betrieb und Modernisierung verlangt.

In die endgültige Entscheidung fließt das dann mit unterschiedlicher Gewichtung ein: Der Preis zu 80 Prozent, die Qualität des Konzeptes zu 10 Prozent und die Energieeinsparung ebenfalls zu 10 Prozent - also nur zu einem ziemlich kleinen Teil. Das bedeutet: Ein Unternehmen, das zwar einmalig mehr Geld verlangt, dafür aber den Verbrauch der Lampen stärker senkt, hat schlechte Chancen auf den Auftrag. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern belastet langfristig durch höhere Energiekosten auch den Landeshaushalt. Doch egal, ob es um den Bau einer Heizung für ein Gefängnis geht, die Lüftung für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, die Dachabdichtung einer Ballettschule oder die Stromversorgung der Charité - bei der Entscheidung über den Auftragnehmer spielt der Energieverbrauch keine oder nur eine geringe Rolle.

Für die meisten Ausschreibungen ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig. Dort glaubt man, der Beschluss des Abgeordnetenhauses gelte nicht für Bauvorhaben, sondern nur für die "Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen", so ein Sprecher. Der energiepolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz, widerspricht: "Natürlich gilt der Beschluss auch für Bauvorhaben. Gerade dort, wo das Land viel Geld reinsteckt und etwas baut, was ja über die nächsten Jahrzehnte so stehen bleiben soll, müssen Umwelt-Kriterien bei der Entscheidung berücksichtigt werden." Er findet es ohnehin "sehr enttäuschend, dass der Senat den Beschluss des Abgeordnetenhauses bisher nicht befolgt". Buchholz erwartet, dass dies nun zügig geschieht - insbesondere bei der anstehenden Strom-Ausschreibung (siehe Text unten).

So leicht geht Ökostrom

Behörden müssen keineswegs immer den billigsten Anbieter nehmen, sondern können auch Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen. Der Bundestag macht es vor

Es gibt zwei unterschiedliche Wege, wie Behörden bei Ausschreibungen auch Umweltkriterien berücksichtigen können. Der erste Weg ist die Definition von Mindeststandards - so macht es etwa Hessen. Bei der Ausschreibung der Stromlieferung für die Verwaltungsgebäude legte das Land fest: Nur reiner Ökostrom aus erneuerbaren Energien darf angeboten werden. Der Zuschlag ging dann an den günstigsten Anbieter. So hat die Verwaltung jetzt Strom aus Wasserkraft, Hessen zahlt dafür in diesem Jahr 20,29 Millionen Euro. "Der Aufpreis für Ökostrom beträgt 210.000 Euro, was einem Plus von rund einem Prozent entspricht", sagt Landesfinanzminister Karlheinz Weimar (CDU). Und rechnet vor: "Damit ersparen wir den Ausstoß von jährlich 70.000 Tonnen Kohlendioxid."

Der zweite Weg ist, ökologische Zuschlagskriterien vorzugeben. Das bedeutet: Erst mal darf sich jeder Anbieter mit jedem Strom bewerben. Die Angebote werden dann aber nicht allein nach dem Preis bewertet, sondern auch nach ihrem CO2-Ausstoß. Da hat Ökostrom gute Chancen: Er ist nur 1 bis 2 Prozent teurer, verringert die CO2-Emissionen aber enorm.

Man kann sogar beide Wege kombinieren. Der Bundestag etwa hat bei der Ausschreibung des Parlamentsstroms als Mindestvoraussetzung Ökostrom verlangt. Und weil es auch da Unterschiede gibt und Biomasse einen anderen CO2-Ausstoß hat als Solarenergie, wurde das auch bei den Zuschlagskriterien berücksichtigt. Der Preis floss nur zu 79 Prozent in die Entscheidung ein, der CO2-Ausstoß zu 21 Prozent. Es gewann der Stromanbieter Lichtblick, der in diesem Jahr 2,6 Millionen Euro für 25,2 Millionen Kilowattstunden erhält. Die "Mehrkosten für Ökostrom belaufen sich auf 0,2 Cent pro Kilowattstunde", so Bundestagssprecher Claus Hinterleitner.

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) setzt bei der in den kommenden Tagen anstehenden Ausschreibung des Stroms für die Berliner Verwaltung allein auf Mindeststandards - und zwar auf ziemlich geringe. Der Strom soll zu 20 Prozent aus Ökostrom bestehen und zu 50 Prozent aus Kohle- oder Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung kommen. Atomstrom darf nicht dabei sein, der Rest ist egal. Das Entscheidungskriterium soll dann allein der Preis sein. Der Abgeordnetenhausbeschluss, wonach auch Ökokriterien wie der CO2-Ausstoß ein Zuschlagskriterium sein sollen, sei hier nicht relevant: "Wir haben doch bereits Umwelt-Mindeststandards definiert, dadurch erübrigen sich weitere Zuschlagskriterien", erklärt Sarrazins Sprecherin Kristina Tschenett. Sebastian Heiser

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!