Kommentar zur Bürgerbeteiligung: Plebiszit braucht kein Quorum
Den Volksentscheid zu "Pro Reli" haben die Wähler mehrheitlich abgelehnt. Das zeigt: Es braucht kein Quorum, um absurde Positionen von Minderheiten abzublocken.
Der Volkentscheid war eindeutig. "Pro Reli" ist nicht nur am Quorum gescheitert. Die Berliner haben der Initiative gar mehrheitlich eine Abfuhr erteilt. Jetzt wäre es an der Zeit, dass wieder über die grundlegenden Werte diskutiert wird. Etwa über die Demokratie - denn da könnte Berlin durchaus mehr wagen und das Quorum beim Volksentscheid abschaffen.
Derzeit müssen 25 Prozent der Wahlberechtigten mit "Ja" stimmen. Das soll absurde Positionen von Minderheiten abblocken. Doch absurd ist vor allem die Höhe des Quorums. 611.422 Berliner hätten pro Reli stimmen müssen, damit die Initiative eine Chance gehabt hätte. Bei der letzten Abgeordnetenhauswahl bekam selbst die SPD als stärkste Partei nur gut 430.000 Stimmen. Plebiszite, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, frustrieren auf Dauer nur die Enagierten.
Volksentscheide ohne Mindestbeteiligung aber fordern Befürworter wie Gegner gleichermaßen heraus. So gäbe es nicht nur klarere, dem Meinungsbild tatsächlich entsprechende Ergebnisse. Auch Initiativen ohne Medienmacht bekämen eine Chance - sofern die Mehrheit der Wahlberechtigten nichts dagegen hat und sich enthält. Vor abstrusen Ergebnissen schützt die vorgeschaltete Unterschriftensammlung - und vor allem die Reife der Wähler. Dass die Berliner ihr Stimmrecht ernst nehmen, hat der Sonntag gezeigt: 365.000 haben mit "Nein" gestimmt, obwohl das dank des Quorums gar nicht nötig gewesen wäre.
Leser*innenkommentare
Imation
Gast
@ HevoB:
Ihre Meinung, die auch Meinung vieler "Linker" ist, das Volk unbedingt vor Demagogen, Populisten und "abstrusen" Meinungen schützen zu müssen geht mir nur auf den Keks.
Ich habe das Recht auch die unsinnigste Forderung zu stellen oder zu Vertreten!
emmweebee
Gast
also, für solche Aussagen war der Ausgang zu knapp. Wenn die Kampagne nicht so irreführend argumentiert hätte, und somit das Wahlvolk eher verunsicherte (Pro Reli war da ja - Gottseidank - auch ein bisken unjeschickt), dann hätten wir jetzt eventuell Bundesverhältnisse in unseren Schulen. Und solange man sich noch ernsthaft darüber streitet, wie diese Kampagnen finanziert werden dürfen, sollte die Mündigkeit der Bürger wegen zweier Ergebnisse nicht zu hoch halten. Wir wissen, welche Zeitungen auch in dieser Stadt Meinung machen. Wenn die CDU wieder regieren sollte, dann wirds vielleicht etwas spannender. Dann wird womöglich nur noch gebellt. Denn stadtweite Initiativen mir linken Anliegen werden es schwerer haben, die Kohle zusammen zu kratzen. Also: lieber erstmal üben, und in zehn/zwanzig Jahren, oder so, weitersehen.
gandow
Gast
Weder SPD noch rot-rote Koalition zusammen würden das Quorum knacken. Dennoch können diese "Minderheiten" Politik in Berlin bestimmen.
Daß der SPD dies auch in diesem Fall gelang, hängt wohl eher nicht mit kritischem Bewußtsein der Berliner zusammen(als gebe es das nur im Osten), sondern ist Wowereits Bündnis mit der gut organisierten PDS/Linken im Osten Berlins zu verdanken.
Die PDS ist eben keineswegs nur eine östliche "Volkspartei", sondern verfügt nach wie vor über die unvergleichlichen Mobilisierungsmöglichkeiten einer Kaderorganisation.
HevoB
Gast
Quorum herabsenken auf 15 % würde ich noch akzeptieren. Oder eine absolute Mehrheit.
Demagogen können mir auf einen Streich zu viel Stimmen aktivieren / ekraufen als das ein Plebistät ohne Quorum zu verantworten wäre.