Sparzwang in Berlin: Nussbaum leert die Taschen
Der Finanzsenator wendet sich von der Politik seines Vorgängers ab. Es soll deutlich mehr gespart werden, als es selbst dem Pfennigfuchser Sarrazin vorschwebte.
Knapp vier Monate nach seinem Start ist der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum klar auf Distanz zu seinem Vorgänger Thilo Sarrazin (SPD) gegangen. Am Dienstag setzte Nußbaum nicht nur im Senat einen harten Sparkurs durch, der von den Vorstellungen Sarrazins abweicht. Fast zeitgleich wurde bekannt, dass der Finanzsenator jetzt doch CDU-Abgeordnete in den umstrittenen Vertrag mit der Modemesse "Bread & Butter" schauen lässt. Solche Akteneinsicht hatte die Finanzverwaltung unter Sarrazin abgelehnt. Auf die Einschätzung, dass er sich deutlich von Sarrazin unterscheide, sagte Nußbaum: "Ja, hoffentlich."
Aktuell ging es in der Senatssitzung um die mittelfristige Finanzplanung. Während der konkrete Haushaltsplan, den das Abgeordnetenhaus nach der Sommerpause diskutiert, zwei Jahre umfasst, läuft die mittelfristige Planung bis 2013. Noch im März hielt der Senat an Sarrazins Grundidee fest, dass die Ausgaben pro Jahr im Schnitt um 1,3 Prozent steigen könnten.
Nußbaum hat das nun radikal auf weniger als ein Viertel gekürzt. Ab 2012 sollen die Ausgaben jährlich nur noch um 0,3 Prozent wachsen - wobei "wachsen" der falsche Begriff ist: Da die Inflationsrate über Jahre betrachtet bei rund 2 Prozent liegt, steht unter dem Strich eine Kürzung von 1,7 Prozent. In Euro und Cent heißt das, Rot-Rot will pro Jahr zwischen 230 und 250 Millionen einsparen (siehe Kasten). Der Senator selbst nannte keine konkreten Kürzungsideen.
Der neuen Linie stimmte im Senat auch die Linkspartei zu, die sich weniger am Sparkurs als am Vorgehen störte. Zu schnell und zu wenig transparent war die Sache für Fraktionschefin Carola Bluhm. Schon vor der Senatssitzung war verabredet, dass Nußbaum am Sonntag an einer Fraktionsklausur zum Thema Haushalt teilnimmt.
Kritik an der Finanzplanung gab es aus der Opposition. Die CDU-Fraktion hielt dem Senat vor, erst ab 2012 zu kürzen, weil im Jahr davor die Abgeordnetenhauswahl ansteht. So sieht das auch die FDP. Sie wirft Nußbaum zudem vor, nicht konkret zu werden. Der Grüne Jochen Esser machte weniger die Finanzkrise, sondern Rot-Rot selbst verantwortlich: SPD und Linkspartei hätten Berlin in "den Notstand von 2001" zurückgebracht, der Zeit des Bankenskandals.
Nußbaum mochte seinen Vorgänger Sarrazin nicht direkt kritisieren. Er wolle "keine Kritik nach hinten" und stattdessen nach vorne gucken, sagte er. Unabhängig davon setzt die Abkehr von der Sarrazinschen Ausgabenpolitik eine Reihe gravierender Veränderungen fort. Dazu zählt nicht allein, dass Nußbaum anders als Sarrazin kein Problem hat, Akteneinsicht zum Thema "Bread & Butter" zu gewähren - dort geht es um den unklaren Mietpreis und weitere Vertragsbedingungen.
Auf Distanz ist Nußbaum auch beim Thema Golfclub Wannsee gegangen (taz berichtete). Er hat versprochen, den von Sarrazin mitverhandelten Erbpachtvertrag, bei dem dem Land möglicherweise 3 Millionen Euro durch die Lappen gehen, "mit neuen Augen schonungslos" aufzuklären. Personalisiert wurde die neue Linie durch die Ablösung des von Sarrazin berufenen Staatssekretärs Claus Teichert (SPD) zum 1. August.
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