Eklat im Abgeordnetenhaus: Momper verjagt CDU-Fraktion
Die Union verlässt die Plenarsitzung. Sie sieht sich durch eine Äußerung der SPD auf eine Stufe mit der NPD gestellt - und kassiert in der Folge von Parlamentspräsident Momper auch noch eine Rüge.
Bis 22.15 Uhr hätte sie auf den grauen Sesseln im Plenum sitzen sollen, doch die waren schon um 14.14 Uhr leer: Aus Protest gegen eine SPD-Äußerung verließ die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus am Donnerstag geschlossen die gerade begonnene Plenarsitzung. Sie sah sich durch die Abgeordnete Ülker Radziwil auf eine Stufe mit der NPD gestellt. Die Union kritisierte auch Parlamentspräsident Walter Momper (SPD), von dem die CDU vergeblich eine Rüge für Radziwil verlangt hatte. Selbst langjährige Abgeordnete konnten sich an keinen vergleichbaren Exodus erinnern.
Es hatte eine wenig spannende Debatte zur Zukunft der Jobcenter angestanden - wenig spannend deshalb, weil die Entscheidung im Bundestag fällt. Dort war jüngst die CDU/CSU-Fraktion aus einem als klar geltenden Kompromiss ausgestiegen und wollte eine Verfassungsänderung nicht mittragen. Vor diesem Hintergrund sagte die SPD-Abgeordnete Radziwil: "Man könnte meinen, die Verfassungsfeinde befinden sich in der Mitte des Bundestages, genauer gesagt halb rechts in der CDU/CSU-Fraktion."
Doch Momper hat in der Folge nicht Radziwil, sondern den CDU-Abgeordneten Mario Czaja gerügt. "Sie haben wohl einen Knall", hatte der Radziwil zugerufen. CDU-Fraktionschef Henkel nannte die Äußerung der SPD-Abgeordneten nach dem Auszug "indiskutabel" und "unfassbar". Das galt für ihn umso mehr, als das Parlament unmittelbar zuvor parteiübergreifend einen Aufruf gegen den NPD-Bundesparteitag am Wochenende in Berlin unterstützt hatte.
"Wir nehmen es nicht hin, dass Momper es zulässt, dass wir mit der NPD auf eine Ebene gestellt werden", sagte Henkel. Mompers Verhalten sei nur ein weiteres Beispiel "in einer Kette von Verfehlungen in den vergangenen siebeneinhalb Jahren". Momper hat seinen Posten 2001 übernommen. Seine Amtsführung führte wiederholt zu Kritik.
Im Parlament feixte man erst über den Exodus und zitierte Herbert Wehner. Als Unionsabgeordnete 1975 aus Protest eine Bundestagssitzung verließen, hatte der damalige SPD-Fraktionschef gesagt: "Wer hinausgeht, muss auch wieder reinkommen." Die CDU-Fraktion will das zwar auch tun, wenn das Plenum am 30. April wieder tagt. "Wir werden uns der parlamentarischen Arbeit nicht verweigern", so Henkel. Zuvor soll es Gespräche und eine Sitzung des Ältestenrats geben, der mit führenden Mitgliedern der Fraktionen besetzt ist.
Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop konnte den Ärger der CDU nachvollziehen. "Unglücklich und unzutreffend" sei die Äußerung Radziwils gewesen, sagte sie der taz. Momper habe zudem kontraproduktiv gehandelt, als er CDU-Mann Czaja rügte. "Der Präsident muss in so einer Situation entschärfen und nicht noch einen draufsetzen." Auch FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer zeigte Verständnis für die CDU-Reaktion: "Momper hat wieder einmal in seiner Rolle als Präsident sein Parteibuch zur Schau getragen."
Radziwil wies die Vorwürfe der CDU zurück. "Ich habe die CDU nicht in der Nähe der NPD gesehen", sagte sie. Ihren Satz mit den Verfassungsfeinden habe sie im Konjunktiv gesprochen, "das heißt nicht, dass ich das tatsächlich meine". Radziwil gab keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob sie sich entschuldigen werde. Die SPD-Fraktion stellte sich hinter sie. "Ich sehe es nicht so, dass sich Frau Radziwil für etwas entschuldigen muss", sagte ihr parlamentarische Geschäftsführer Christian Gaebler. Die Reaktion der CDU sei "völlig überzogen". Bei Momper mochte er kein Fehlverhalten sehen: Der habe sich an die Kriterien des Ältestenrats gehalten.
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