Kiezprotest: Kreuzberger Protest gegen Luxus
Rund 1.500 Menschen protestieren in Kreuzberg gegen steigende Mieten und sagen Luxussanierern den Kampf an. Aufruf zum Mietboykott, Mitleid mit "Schnöseln."
In Kreuzberg fallen die Preise - für Eigentumswohnungen. Um fast 50 Prozent ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis innerhalb von ein paar Monaten gefallen und liegt nun bei rund 1.100 Euro. Rund anderthalbtausend Demonstranten hat diese Entwicklung auf dem Immobilienmarkt aber nicht davon abgehalten, trotzdem lautstark auf die Straße zu ziehen. Denn der Mietermarkt entwickelt sich genau gegensätzlich.
"Von 320 auf 480 Euro wurde meine Miete erhöht", beklagt sich die mitdemonstrierende Sabine Keller, die seit vier Jahren in einer Zwei-Zimmer-Wohnung wohnt. Die Fassade sei gestrichen worden, berichtete die 38-jährige Physiotherapeutin. Ansonsten habe sich die Wohnqualität nicht gebessert. Nun überlege sie Kreuzberg nach mehr als zehn Jahren zu verlassen.
Die Veranstalter der Demo sind selbst überrascht über die hohe Resonanz. Sie habe mit vielleicht 500 Teilnehmern gerechnet, sagt Jana Runge von den "SpreepiratInnen", eine der rund 30 Gruppen, die zu der Demonstration aufgerufen haben. Es sind rund dreimal so viele. "Die Menschen sind nicht mehr bereit, mit einem immer höheren Teil ihrer Einkommen die Profite der HausbesitzerInnen zu finanzieren", so Runge. Viele fühlten sich beim Thema Miete von der Politik alleine gelassen und würden anfangen, sich selbst zur Wehr zu setzen. "Wohnen ist Menschenrecht" ist eine häufig auf der Demo gerufene Parole. Redner rufen dazu auf, Mietsteigerungen gemeinsam zu boykottieren und leerstehende Wohnungen zu besetzen.
So ganz zufrieden sind die Organisatoren am Ende aber nicht mit dem Verlauf. Sie wollten eigentlich bis vor die Car-Lofts in der Reichenberger Straße ziehen - den neuen Inbegriff der aus ihrer Sicht ausufernden Aufwertung in Kreuzberg. 100 Meter davor verwehrt die Polizei den Weiterweg. Die Bewohner der Car-Lofts werden per Fahrstuhl ihre Autos unmittelbar vor der Wohnungstür abstellen können.
"Ich empfinde Mitleid", sagt die Demonstrantin Keller. "Wer hier mal einzieht, wird bestimmt nicht glücklich werden im Kiez." Aber nur in der ersten Zeit, entgegnet ihr Begleiter: "Irgendwann werden die Schnösels auch in Kreuzberg unter sich sein."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin