Streit über Gesetzentwurf: Kinderschutz wird kompliziert
Eltern, die Kinder nicht zur Vorsorgeuntersuchung bringen, sollen Besuch bekommen. Kinderschutzbund kritisiert Generalverdacht gegen Eltern. Charité: Verfahren ist nicht praktikabel
Die Vorschläge des Senats für mehr Kinderschutz sind nach Ansicht der Charité nicht realisierbar. "Das ist praktisch nicht durchsetzbar, ich sehe da keinen Weg", sagte Oliver Blankenstein, Leiter des Programms für Neugeborenen-Früherkennung an der Charité, am Montag auf einer Anhörung des Gesundheitsausschusses.
Mit dem Kinderschutzgesetz will der Senat Verwahrlosung und Misshandlung von Kindern bekämpfen. Die Meldeämter der Bezirke sollen die Charité über jedes neugeborene Kind informieren. Die Charité soll dann die Eltern per Post an die Vorsorgeuntersuchungen U3 bis U9 erinnern. Die Eltern können sich für die Untersuchungen einen Arzt aussuchen. Der Arzt wiederum informiert die Charité, sobald die Eltern bei der Untersuchung waren. Alle anderen Eltern sollen Hausbesuch vom Gesundheitsamt bekommen. Wenn die Mitarbeiter dabei Anzeichen dafür sehen, dass das Kind in Gefahr ist, schalten sie das Jugendamt ein - das kann den Eltern Angebote zur Unterstützung machen und im Notfall auch die Kinder raus aus ihren Familien und in Sicherheit bringen.
Charité-Arzt Blankenstein findet das zwar im Grundsatz ein gutes Konzept für mehr Kinderschutz. Doch im Details sind ihm die Vorschläge "zu bürokratisch, zu teuer und zu kompliziert". Das gilt zum Beispiel für die Idee, die Eltern zu jeder einzelnen Vorsorgeuntersuchung per Post einzuladen. Es solle auch nicht für jede Untersuchung jedes Kindes eine eigene Kennnummer angelegt werden. Er schlug den Abgeordneten daher vor, das vom Senat eingebrachte Gesetz während der Beratungen im Parlament noch entsprechend zu ändern.
Sabine Walther vom Kinderschutzbund begrüßte die Ziele des Gesetzes, beklagte allerdings das "latente Misstrauen", das allen Eltern entgegengebracht werde. Nur weil jemand sein Kind nicht zur Vorsorgeuntersuchung bringe, misshandle er es noch lange nicht. Insbesondere kritisierte sie, dass alle Personen, die beruflich mit Kindern zu tun haben, in Zukunft auch ohne Einwilligung der Eltern das Jugendamt informieren sollen, sobald sie Anzeichen für eine Gefährdung des Kindes sehen. Sie sehe "die Gefahr, dass Eltern keine Hilfen mehr annehmen aus Angst, dass ihnen das Kind weggenommen wird".
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Stefanie Winde, wies diese Vorwürfe zurück. Es sei "nicht unsere Absicht", die Eltern mit dem Gesetz unter einen Generalverdacht zu stellen.
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