Volksbegehren Pro Reli unerwartet erfolgreich: Gott gewinnt den Vorwahlkampf
"Pro Reli" sammelt 307.000 Unterschriften - und damit deutlich mehr als erwartet. Der Landeswahlleiter erklärt das Volksbegehren für erfolgreich. Weder Senat noch Grüne oder GEW haben Pläne für eine Gegenkampagne in der Tasche
Die Initiative "Pro Reli" hat die Hürde für einen Volksentscheid viel deutlicher genommen, als es sich vergangene Woche abzeichnete. 307.000 Unterschriften kamen nach Angaben der Initiave bis zum Schluss des Volksbegehrens am Mittwoch zusammen. Damit können die Wahlberechtigten entscheiden, ob statt Ethik künftig auch Religion als Schulfach gewählt werden kann - und nicht mehr nur zusätzlich. Ein möglicher Termin für den Entscheid ist die Europawahl am 7. Juni. Weder SPD noch Linke, Grüne oder weitere Ethik-Befürworter haben Pläne für eine Gegenkampagne in der Schublade.
"Das ist nicht nur ein gutes Ergebnis, sondern ein deutliches Signal an die politisch Verantwortlichen", kommentierte "Pro-Reli"-Kampagnenchef Matthias Wambach. Die Zahl werde sich noch erhöhen wegen direkt im Bezirksamt abgebener Unterschriften, über die "Pro Reli" keine Übersicht habe. Der Landeswahlleiter erklärte das Begehren am Mittwoch für erfolgreich, weil die Überprüfung bereits einen Zwischenstand von 181.584 gültigen Unterschriften ergeben hatte - nötig sind 170.000.
Beim Volksbegehren für den Erhalt des Flughafens Tempelhof, das zum ersten, gescheiterten Berliner Volksentscheid führte, gab es statt der jetzigen 307.000 Unterschriften nur 208.000. Die Zahlen sind allerdings nur eingeschränkt vergleichbar, weil damals Unterschriften nur in Bürgerämtern möglich waren. "Pro Reli" hingegen konnte dank einer Gesetzesänderung überall sammeln.
Noch zu Halbzeit der viermonatigen Sammelfrist schien das Volksbegehren fast schon gescheitert. Nur rund 70.000 Unterschriften lagen der Initiative bis Ende November vor. Kampagnenchef Wambach führte den rapiden Anstieg darauf zurück, dass viele Kirchengemeinden Unterschriftenlisten lange gehortet hätten, "um sie in einem Aufwasch abzugeben".
Der nun zu erwartenden weiteren "Pro Reli"-Kampagne Richtung Volksbegehren steht das Lager derer weithin unvorbereitet gegenüber, die am bisherigen Pflichtfach Ethik festhalten wollen. Geld, Kampagne, Strategie - "das ist alles überhaupt noch nicht beraten", sagte Senatssprecher Richard Meng kurz vor Bekanntgabe des Ergebnisses.
Mögliche Plattform für die Opposition zu "Pro Reli" ist die Initiative "Pro Ethik". Dort sind bereits Bildungspolitiker von SPD, Linkspartei und Grünen engagiert, zudem unter anderem die Gewerkschaft GEW, die den Internetauftritt www.proethik.info finanzierte, und die Initiative "Christen pro Ethik". Am Dienstag schlossen sich als erste islamische Glaubensgemeinschaft die Aleviten an. Ein Treffen am Montag soll über das weitere Vorgehen entscheiden. Geld müsste der Initiative zufolge aber von den Parteien kommen.
Die aber lehnen eine echte Kampagne weitgehend ab und setzen auf reine Information jenseits von Plakataktionen. Mark Rackles, Sprecher der Linken in der Berliner SPD, ging genau wie GEW-Landeschefin Rose-Marie Segelke davon aus, dass "Pro Reli" beim Volksentscheid nicht die dann erforderlichen 600.000 Ja-Stimmen erreicht und eine teure Kampagne unnötig ist.
Der Sprecher der SPD-Rechten, Fritz Felgentreu, forderte den Senat auf, Gesprächsangebote von "Pro Reli" anzunehmen: "Mit einem solchen Ergebnis sollte man respektvoll umgehen und mit den Leuten sprechen."
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