Drohende Abschiebung: Exdeutsche muss auf Härtefall plädieren
Seit 40 Jahren lebt Nimet Yavuz in Berlin, doch weil sie wegen Krankheit zu lange in der Türkei war, droht ihr die Abschiebung. Immerhin: Die Anwältin ist zuversichtlich, dass die Härtefallkommission sich für sie einsetzt.
Eigentlich fühlt sie sich als Deutsche, als Berlinerin. Doch nach den Vorfällen der letzten Monate ist Nimet Yavuz Verhältnis zu ihrer Wahlheimat gestört. Die 49-jährige Türkin lebt seit 40 Jahren in Berlin und hatte einst sogar die deutsche Staatsbürgerschaft. Dennoch droht ihr derzeit die Abschiebung. Sie soll aufgrund eines zu langen Aufenthalts in der Türkei ausgewiesen werden. Am heutigen Donnerstag verhandelt die Härtefallkommission ihren Fall. Ihre Anwältin Canan Bayram ist optimistisch: "Aufgrund der langen Zeit, die sie hier verbracht hat, wird es nicht zur Ausweisung kommen", so Bayram. Das habe Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ihr bereits zugesichert.
Grund für die Ausweisung war ein Aufenthalt von Yavuz bei ihrer Tochter in der Türkei von Februar bis September 2008. Da die Türkin zu diesem Zeitpunkt nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis besaß, hätte sie nicht länger als sechs Monate im Ausland verbringen dürfen. Aus gesundheitlichen Gründen kehrte sie jedoch erst zehn Tage nach der Frist nach Deutschland zurück. Trotz ärztlicher Bescheinigung leitete eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde daraufhin die Ausweisung ein. "Sieben Monate hat man mit mir gespielt und mich behandelt wie eine Terroristin", so Yavuz.
Dabei besaß sie einst alle Bürgerrechte in Deutschland. 1998 erhielt sie die deutsche Staatsbürgerschaft, später beantragte sie auch die türkische zurück. Seit dem Jahr 2000 ist Doppelstaatlichkeit in Deutschland allerdings in bestimmten Fällen gesetzlich untersagt. Yavuz folgte deshalb einem Aufruf des Senats und verschiedener türkischer Vereine wie dem Türkischen Bund Berlin (TBB) im Jahr 2005. Sie meldete sich wie rund 1.400 andere Deutschtürken freiwillig und musste daraufhin ihren deutschen Pass wieder abgeben. "Uns wurde Entgegenkommen versprochen. Doch mir wurde damals gesagt, ich müsse fünf Jahre warten, um einen neuen Pass zu beantragen", sagt Yavuz.
Laut Ralf Techert von der Senatsinnenverwaltung stimmte diese Information nicht: "Alle, die sich freiwillig gemeldet haben, konnten bis Ende 2005 umgehend eine Wiedereinbürgerung beantragen", so Techert. Das Absolvieren eines Einbürgerungstest und das Vorweisen eines geregelten Einkommens wären dafür unter anderem notwendig gewesen. "Seit 2005 haben 524 Türken einen Antrag gestellt. 448 von ihnen wurden wieder eingebürgert", so Techert. Nimet Yavuz erhielt anstatt eines neuen Passes eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung. Diese sollte im vergangenen Jahr um weitere zwei Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser Zeit hätte Yavuz, die lange bei einer Kabelfirma Betriebsrätin war und jetzt Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, 2010 erneut die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen können.
Im Moment hat Yavuz den unsichersten Aufenthaltsstatus, den das deutsche Recht bietet: eine Duldung, die nichts weiter ist als die Aussetzung einer Abschiebung. Einem Antrag, ihre Tochter nach einem Autounfall in der Türkei zu besuchen, wurde nicht stattgegeben. Sie sei "nervlich am Ende", sagt Yavuz: "Ich hätte nicht gedacht, dass Deutschland so mit mir umgeht." JUDITH NOACK
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