Parteiaustritt wieder offen: CDU will Islamkritiker halten
Die Union verhandelt mit dem umstrittenen Abgeordneten René Stadtkewitz. Er hatte am Freitag eigentlich seinen "unumkehrbaren" Austritt aus der CDU erklärt.
Die CDU will sich nicht von René Stadtkewitz trennen - und er selbst schwankt offenbar auch noch. Am Freitag hatte der Abgeordnete zunächst seinen Austritt aus der Union erklärt: Er vermisse die Rückendeckung seiner Partei in der Debatte über eine von ihm organisierte Veranstaltung, in der über den "Zusammenhang zwischen Integrationsdefiziten und Islam" diskutiert werden sollte.
Der Austritt sei "unumkehrbar", schrieb Stadtkewitz eigentlich. Doch am Montag war er dann in intensiven Verhandlungen mit der CDU-Fraktionsführung um Frank Henkel. Ein Sprecher: "Wir bitten um Verständnis, dass wir bis zum Abschluss dieser Gespräche keine Erklärungen abgeben können."
Stadtkewitz ist Vorsitzender des Landesverbandes der Bürgerbewegung Pax Europa. Die ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) hatte kritisiert, Pax Europa vertiefe die Gegensätze zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Die Grundaussage der Vereinigung sei, dass diese Religion hier nicht hingehöre und mit der Demokratie nicht vereinbar sei. Stadtkewitz nannte John in seinem Austrittsbrief eine "weit überschätze Politikprofessorin", die "dem politischen Islam in Deutschland zur Etablierung verhelfen" wolle.
Stadtkewitz sei "kein rechtsextremer Politiker", sagt Claudia Dantschke vom Zentrum für demokratische Kultur. "Er akzeptiert jeden Neudeutschen, der sich seiner Vorstellung von deutscher Kultur unterordnet." Wer dagegen seine Eigenständigkeit bewahren wolle, werde als Bedrohung angesehen. Stadtkewitz spreche reale Probleme an. Doch "er kanalisiert sie in eine Richtung und macht jene Muslime zum Feindbild, die ihre Religion leben und sich nicht kulturell unterwerfen wollen".
Für die Gesellschaft wäre es besser, meint Dantschke, wenn die CDU und Stadtkewitz sich trennen würden. Dann würde er seine eigene Partei aufmachen "und man könnte sich klar damit auseinandersetzen" - also Probleme mit der Integration ansprechen, unzulässige Pauschalisierungen von Stadtkewitz jedoch zurückweisen und brandmarken.
Auch für Carl Chung vom mobilen Beratungsteam Ostkreuz ist es "wichtig, zwischen den unterschiedlichen Islamkritikern zu differenzieren". Die entscheidende Frage sei, ob ein Kritiker das Grundrecht auf Religion für alle anerkenne. Und zu diesem Grundrecht gehöre auch, Gottesdienste abzuhalten und eine eigene Kultur zu pflegen. Eine Religion werde erst dann zum Problem, wenn unter dem Deckmantel der Religionsausübung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt würden.
Für die Parteien sollten die Grundrechte der Maßstab sein, empfiehlt Chung: "Wenn ein Parteimitglied arge Schwierigkeiten mit der Religionsfreiheit hat, dann sollte eine Partei eine klare Grenze ziehen, vor allem bei exponierten Funktions- und Mandatsträgern." Ob das auf Stadtkewitz zutrifft, könne er allerdings nicht beurteilen: "Das muss die CDU einschätzen."
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