Kleider-Kodex im Gericht gelockert: Anwalt lässt die Hüllen fallen
Anwälte sollen nach dem Willen des Senats frei entscheiden, ob sie eine Robe tragen. Doch unter Richtern gibt es Widerstand.
Die vom Senat gewünschte freie Kleiderwahl für Anwälte wird noch nicht von allen Richtern akzeptiert. Im März hatte die Senatsverwaltung für Justiz den staatlichen Robenzwang per Allgemeiner Verfügung (PDF) aufgehoben. Doch als Anwalt Johannes Eisenberg, der auch die taz vor Gericht vertritt, die neue Freiheit ausprobieren wollte, stieß er bei einem Richter auf wenig Verständnis.
Zum Problem für Eisenberg wurde, dass nicht nur der Senat bisher den Anwälten eine bestimmte Kleidung vorgab. Auch die Berufsordnung, die die Anwälte sich selbst gegeben haben, schreibt die Robe vor, "soweit das üblich ist", wie es in § 20 wörtlich heißt (PDF). Und die Berufsordnung gilt unverändert weiter.
Als Eisenberg am Freitag in Jeans und Freizeithemd vor der 17. Strafkammer des Berliner Landgerichtes erschien, forderte der Vorsitzende Richter Ralf Fischer ihn auf, wie bisher eine Robe zu tragen, da dies nach wie vor üblich sei. Wenn Eisenberg dem bei der nächsten Verhandlung nicht folge, werde er den Fall der Rechtsanwaltskammer vorlegen. Strafgerichtssprecherin Petra Carl bestätigte auf Anfrage die Aussage des Richters. Die Kammer kann etwa eine Rüge aussprechen oder eine Geldbuße verhängen.
Doch Eisenberg will seine neue Kleidungsfreiheit nicht aufgeben. "Mich hat dieser Zwang immer gestört. Wenn ich keine Argumente habe, hilft die Robe doch auch nicht weiter." Die Kleidung "macht mich gemein mit Richtern und Staatsanwälten und schafft eine künstliche Distanz zum Mandanten, auf dessen Seite ich doch stehe".
So sieht das auch Peter Zuriel, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Die Robe sei einschüchternd für den Mandanten, der sich "dem Justizapparat ausgesetzt sieht". Wenn dann auch noch der eigene Anwalt eine Robe trage, könne ein Mandant sich "alleingelassen" fühlen. Dennoch hat er bisher von keinem anderen Anwalt gehört, dass er auf die Robe verzichtet: "Das ist noch nicht so bekannt. Wenn es sich herumgesprochen hat, werden es sicher viele machen." Richter und Staatsanwälte müssen weiterhin in der klassischen schwarzen Juristentracht auftreten.
Der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrend, bis zu seinem Einzug ins Parlament selbst Verwaltungsrichter, findet die Robe für Anwäte "überholt". Solche "Uniformen brauchen wir nicht". Selbst die Robenpflicht für Richter ist für ihn nicht sakrosant: Die "sollte man einmal mit den Standesvereinigungen diskutieren". Die Richter an den Familiengerichten würden bereits jetzt ihre Robe oft ausziehen, wenn sie Kinder anhören.
Doch bis dahin wird es noch ein weiter Weg sein. Zuerst kommt an diesem Freitag das nächste Wiedersehen von Anwalt Eisenberg und Richter Fischer. Eisenberg will wieder ohne Robe kommen. Wenn Fischer den Fall dann wie angekündigt an die Rechtsanwaltskammer gibt, wird die entscheiden müssen, ob sie eine Sanktion verhängt. Die entscheidende Frage dabei: Ist die Robe in Berlin für Anwälte noch üblich oder nicht? Für Justizstaatssekretär Hasso Lieber ist der Fall klar. Der taz sagte er: "Was üblich ist, haben wir doch gerade mit der neuen Verwaltungsvorschrift beschrieben: Die Anwälte dürfen Robe tragen, sie müssen es aber nicht."
Die Rechtsanwaltskammer, auf deren Entscheidung es ankommt, will sich dagegen noch nicht so richtig festlegen. Präsidentin Irene Schmid macht aber deutlich, dass die Robe nicht auf alle Ewigkeit festgeschrieben bleibt. Was genau unter "üblich" zu verstehen ist, werde "bei entsprechenden Anfragen oder Beschwerden durch die Rechtsanwaltskammer in jedem Einzelfall festzustellen sein und unterliegt - wie jede Üblichkeit - dem Wandel der Zeiten".
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