Flüchtlingsheim: Abschiebung in die Tristesse
Das Asylbewerberheim in der Spandauer Motardstraße ist ein trister Ort. Immer häufiger werden dort Flüchtlinge hingeschickt, die man zur Ausreise zwingen will, sagt das Bündnis gegen Lager.
Vor dem Bezirksamt Pankow protestieren am Donnerstag mehrere Dutzend Menschen gegen die Flüchtlingspolitik der Bezirke. "Kein Mensch ist illegal" und "Lager Motardstraße 101a schließen" steht auf ihren Transparenten. Die Demonstranten werfen den Sozialstadträten vor, Flüchtlinge, die nicht ausgewiesen werden können, absichtlich in das Erstaufnahmelager für Asylbewerber in der Motardstraße zurückzuschicken. "Sie sollen so in die 'freiwillige Ausreise' gezwungen werden", sagt eine Vertreterin vom Bündnis gegen Lager Berlin/Brandenburg. Denn die Zustände in der Motardstraße seien unhaltbar: Kein Bargeld, Mehrbettzimmer, Kakerlaken, keine abschließbaren Schränke, schlechtes Essen - geliefert von Dussmann. "Wer Leute in die Motardstraße schickt, setzt auf Schikane, um den Flüchtlingen das Leben in Deutschland zu vergällen", sagt die Aktivistin.
Derzeit steht vor allem Pankow in der Kritik: Der Bezirk habe in den letzten Monaten 34 Leute in die Motardstraße geschickt habe, so das Bündnis gegen Lager. Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) spricht von 28 Personen. Sie weist das Ansinnen, mit der Unterbringung Druck auf die Betroffenen ausüben zu wollen, von sich. "Alle Bezirkämter bringen in der Motardstraße Leute unter. Ich habe als Bezirksstadträtin aber nicht das Ziel, dort ein Drucklager zu etablieren. Ich lehne das politisch auch ab."
Ähnlich äußern sich die Stadträte Michael Büge (CDU) aus Neukölln und Andreas Höhne (SPD) aus Reinickendorf. Beide bestätigen, dass es immer wieder Fälle geben könne, wo Leute in die Motardstraße zurückgeschickt werden. Dass sie dies aber keinesfalls forcierten.
Flüchtlingsorganisationen kritisieren seit Monaten, dass das Asylbewerberheim in der Spandauer Motardstraße 101a in ein "Ausreisezentrum" - wie es die Bundesgesetzgebung vorsehe - umgewandelt werden solle. Wobei das Wort "Ausreisezentrum" betont neutral klingt. Als handele es sich um eine Sammelstelle für Menschen, die das Land verlassen wollen. Von Freiwilligkeit kann indes nicht die Rede sein.
Das Wohnheim liegt mitten im Spandauer Industriegebiet. Ausgerichtet für 625 Menschen ist es das Berliner Erstaufnahmelager für Flüchtlinge. Die ersten drei Monate verbringen die Menschen hier. Danach sollen sie in anderen Heimen oder in Privatwohnungen unterkommen. Die private Unterbringung ist oftmals preiswerter als die im Lager. Flüchtlingsorganisationen fragen sich daher: Warum werden Leute nun wieder zurück in die Motardstraße geschickt?
Die Vorwürfe, dass das Wohnheim in der Motardstraße unwürdig ist, sind nicht von der Hand zu weisen. Wie Barracken liegen die dreistöckigen Plattencontainer nebeneinander. Weit und breit gibt es keine Wohnhäuser. Hinter den Gebäuden ist ein armseliger Spielplatz mit Blick auf die Kühltürme des Kraftwerks West. Das Gelände wirkt trist. Farbe kommt nur von ein paar Bäume und der orangegestrichenen Fabrik gegenüber.
Derzeit leben 400 Menschen aus 44 Nationen in der Motardstraße. Darunter Frau Sch. und ihr kleiner Sohn. Die Tschetschenin zeigt ihr etwa 15 Quadratmeter großes Zimmer. Darin ein klappriges Doppelbett, ein Tisch, zwei alte Stühle, zwei verbeulte Metallschränke. In einem hat Frau Sch. Instantkaffee und Kekse. Sie hat sich einen Tauchsieder besorgt und bereitet Tee. An der Wand hängt eine Zeichnung ihres Kindes: Sonne und bunte Menschen sind drauf. Aus dem Zimmer nebenan dringt afrikanische Musik. Die dort lebende Nachbarin ist aus Ghana. "Musik von Morgen bis Abend", sagt Frau Sch. Die Wand ist dünn.
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