: Landung nur mit Zertifikat
Airlines in Europa sollen von 2011 an in den Emissionshandel einbezogen werden, plant EU-Umweltkommissar Dimas
VON NICK REIMER
Mitteilung Nr. 2005-459 der EU-Kommission: 2012 wird in Europa doppelt so viel geflogen wie 1990. Das bedeutet: Auch die Kohlendioxid-Emissionen des Luftverkehrs werden 2012 doppelt so hoch sein wie 1990. Aber das kann sich die EU nicht leisten: Wegen Kioto. Die EU hat schließlich zugesagt, ihren CO2-Ausstoß zu senken.
Das war auch das Signal, das der diesjährige UN-Klimagipfel aus Kenias Hauptstadt Nairobi sandte: Die Entwicklungsländer sind allenfalls dann bereit, über eigene Klimaschutzbemühungen nachzudenken, wenn die Industrieländer mehr tun. Allen voran die EU: Im Kioto-Klimaabkommen hatten sich die 15 alten EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, 2012 acht Prozent weniger Klimakiller auszustoßen als 1990. Tatsächlich haben die 15 bis heute einen Rückgang von gerade einmal 0,6 Prozent geschafft. Selbst Fachleute aus dem EU-Apparat bezweifeln, dass die Vorgaben noch zu schaffen sind: Würden alle Klimaschutz-Vorhaben rechtzeitig umgesetzt – wovon nicht auszugehen ist – wären, so die EU-Experten, allenfalls knapp minus fünf Prozent erreichbar.
Zum Glück aber gibt es Stavros Dimas. Reichen die geplanten Maßnahmen nicht aus – so augenscheinlich die Strategie des EU-Umweltkommissars –, müssen eben neue her. Zum Beispiel Klimaschutzauflagen für die Luftfahrt: Dimas will am 20. Dezember einen Richtlinienentwurf zur Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel vorlegen: Alle Airlines, die in der EU starten oder landen, müssten demnach von 2011 an Verschmutzungsrechte – die CO2-Zertifikate – für ihre Flüge vorlegen. Auch Fluggesellschaften aus Drittstaaten sollten dazu gezwungen werden, wenn sie in Europa landen wollen.
Die Verpflichtung, Verschmutzungsrechte zu erwerben, gilt bislang nur für Kraftwerke und energieintensive Industrieanlagen. Zwar kommt aus den Düsen der Jets genau dasselbe Kohlendioxid wie aus den Autos oder Kraftwerken. In 10.000 Metern Höhe ausgestoßenes CO2 ist aber dreimal klimazerstörender – Flugzeuge sind damit die schlimmsten Klimasünder, die es gibt. Deshalb sei „im Grundsatz in Europa unumstritten, dass der Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen werden muss“, sagte gestern der deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Dem Handelsblatt kündigte er an, die Bundesregierung wolle sich im Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 für Klimaschutzauflagen der Luftfahrt einsetzen.
Ein „natürlich begrüßenswerter Vorstoß“, urteilte Jochen Diekmann, beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Klimaschutz befasst. „Entscheidend wird aber sein, wie der Zertifikatehandel ausfällt.“ Unter den Fachleuten werden nämlich zwei Varianten diskutiert – eine geschlossene, eine offene. „Offen bedeutet: Fluggesellschaften werden in das bestehende Handelssystem integriert“, erklärt Sven Harmeling, Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Das würde bedeuten, dass sich die Lufthansa vergleichsweise billig mit Zertifikaten eindecken kann – ohne Folgen für die eigene Geschäftspolitik.“ Geschlossen dagegen heißt, es wird ein Extrahandelsplatz für Flugzertifikate eingerichtet. Harmeling: „Wenn Flugzeuge dreimal klimaschädigender als andere Emissionsquellen sind, müssen die Zertifikate natürlich auch dreimal so viel kosten“.
Lufthansa-Sprecher Stefan Schaffrath sieht „sehr viel wirksamere Möglichkeiten für mehr Klimaschutz. An erster Stelle einen einheitlichen europäischen Luftraum“. Die Koordination des Luftverkehrs durch eine europäische Flugsicherung hätte kürzere Flugzeiten, weniger Verspätungen und weniger Warteschleifen zur Folge – ein Einsparpotenzial von bis zu zwölf Prozent.