: Klimawandel trifft vor allem die Armen
Um die Folgen der Klimaänderung zu bekämpfen, fehlt in Südafrika Geld – und politischer Wille, sagen Umweltschützer
JOHANNESBURG taz ■ Für viele Bauern im südlichen Afrika zählt Hoffen und Bangen auf ein gutes Erntejahr zum Alltag. Ihre Ausbeute hängt oft von sprunghaften, zyklischen Veränderungen des Wetters ab. Aber diese Perioden haben sich verändert. Ökologische Studien ergaben: Afrika steht vor einer Katastrophe. Der Kontinent erwärmt sich, das Klima wird extremer mit drastischeren Auswirkungen für die Bewohner: Dürreperioden halten an und verstärken die Ernährungskrise und Armut in vielen ländlichen Gebieten.
Das trifft die Ärmsten der Armen und einen Kontinent, der nicht über die Mittel verfügt, den von Industrienationen verursachten Treibhausgaseffekt erfolgreich einzudämmen. Auf diesem Kontinent findet am Montag die zweiwöchige Klimakonferenz der Vereinten Nationen statt, in Kenias Hauptstadt Nairobi. Lokale Umweltschützer stehen dem Gipfel kritisch gegenüber: „Wenn es wie beim Kiotoprotokoll darum geht, neue Werte für die Verringerung schädlicher Ausstöße festzulegen und dann nichts zu tun, ist die Konferenz unnütz, sagt Nick King, Direktor des Earth and Wildlife Fund in Johannesburg. „Wir wissen alle, worum es geht. Was fehlt, ist schnelles und verantwortungsvolles Handeln.“ Die Folgen der Klimakatastrophe erschweren die Probleme Afrikas. Laut aktuellem Bericht („Up in Smoke 2“) einer Koalition von britischen Umweltgruppen und Hilfsorganisationen ist der Kontinent im Durchschnitt um ein halbes Grad wärmer als vor 100 Jahren. Trockene Gebiete im Norden, Westen, Osten und südlichen Afrika werden zu Wüsten, während es feuchter wird in einigen Regionen des Südens.
„Wetterunsicherheiten“ verstärken massiv den Überlebenskampf von Menschen, die mit knappen Mitteln auskommen müssen. Die Zahl von „Umweltflüchtlingen“ steigt; sie suchen nach Wasserquellen im eigenen oder in anderen Ländern. Das schafft Probleme, denn Flüsse und Dämme bilden oft Grenzen und versorgen die Staaten auch mit Energie. So kam es zu politischen Spannungen mit Botsuana und Angola, als der Nachbar Namibia wegen anhaltender Dürre am Delta des Okavango Wasser abpumpen wollte.
Auch die Fluten vor sechs Jahren, die in Mosambik Menschen auf Baumspitzen trieben, sind laut Umweltgruppen Auswirkungen des Klimawandels. In Südafrika rissen Sturmwellen kürzlich in der Provinz KwaZulu-Natal Hütten nieder. Im Greater St. Lucia Wetlands Park, Weltkulturerbe und Naturschutzgebiet an Südafrikas Ostküste, trocknet der St. Lucia See langsam aus. Wenn der Meeresspiegel drastisch steigt, könnten Wohnsiedlungen unterhalb des Kapstädter Tafelbergs verschwinden, so das düstere Szenario der Umweltschützer. Schon jetzt sind die Folgen sichtbar: Fischergemeinden an der Westküste verdienen immer weniger, weil die Hummer in andere Meeresgebiete abwandern. Die biologische Vielfalt ist bereits verringert und wird in den nächsten 50 Jahren um bis zu 35 Prozent abnehmen, davon geht das Umweltministerium aus. Die größere Feuchtigkeit verursacht Malaria-Epidemien. Die werden bis 2010 auf das Vierfache ansteigen.
Südafrikas Regierung will sich auf der Konferenz in Nairobi für eine schnelle und gerechtere Anpassung der Entwicklungsländer an Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase stark machen. „Wir brauchen neue Richtlinien, die auch auf Dauer für uns umsetzbar sind – proportional zu den verursachten Schäden. Das geht nur mit Finanzierung und Technologiebereitstellung durch die Industrienationen“, sagt Dr. Shawn Vorster, Klimaberater des Umweltministeriums.
Südafrika trägt mit 1,2 Prozent zur globalen Erwärmung bei. Am Kap hofft man, dass Afrikas Prioritäten in Nairobi mehr Gewicht verliehen wird. Aber als aufstrebende Wirtschaftsmacht steht das Land vor eigenen Umweltproblemen. Autoverkehr, Stromversorgung der Haushalte und industrielles Wachstum steigen ständig. Neunzig Prozent der Energie stammt aus Kohlekraftwerken. Die Regierung hat Schutzbestimmungen verabschiedet, die Südafrikaner sollen bis 2015 um 12 Prozent des Energieverbrauchs einsparen. Auch wird ansatzweise in erneuerbare Energiequellen investiert. Das sei jedoch noch viel zu wenig, monieren Umweltgruppen.
MARTINA SCHWIKOWSKI