: Krieg in Nigerias Ölfeldern weitet sich aus
Rebellen wollen nicht nur Shell angreifen, sondern alle Ölkonzerne in Nigeria. „Kontrolle über unsere Ressourcen“
BERLIN taz ■ Der Krieg in Nigerias Ölgebieten verschärft sich. Radikale Rebellen des Ijaw-Volkes im Niger-Flussdelta kündigten gestern an, ihre Angriffe auf alle in Nigeria tätigen internationalen Ölkonzerne auszuweiten – also nicht nur Shell, sondern auch Total, Agip, Chevron und ExxonMobil. „Wir haben beschlossen, unsere Angriffe nicht auf Shell zu begrenzen, da unser Endziel ist, Nigeria am Ölexport zu hindern“, erklärten die Rebellen, die sich als „Bewegung zur Emanzipation des Niger-Deltas“ (Mend) bezeichnen. „Wir werden alle Ölfirmen angreifen.“
Die bisher unbekannte Mend hatte letzte Woche begonnen, Shell-Einrichtungen in Nigeria zu attackieren. Shell ist mit 900.000 Barrel täglich der größte Ölförderer in Nigeria, das wiederum der größte Ölförderer Afrikas südlich der Sahara ist – mit einer Tagesproduktion von 2,5 Millionen Barrel. Die Bevölkerung der Ölgebiete lebt jedoch weitgehend in absoluter Armut, und seit zehn Jahren nehmen bewaffnete Angriffe auf die Ölindustrie beständig zu.
Drei Angriffe auf Shell-Einrichtungen in verschiedenen Teilen des Niger-Deltas seit vergangener Woche haben den britisch-niederländischen Konzern bereits dazu gezwungen, über 300 Mitarbeiter zu evakuieren und die Belieferung des Ölterminals Forcados, an den Shell täglich 106.000 Barrel liefert, einzustellen. Die Gesamtförderung Shells in Nigeria ist durch die Rebellenangriffe um 211.000 Barrel zurückgegangen. Bei Kämpfen um die Shell-Ölstation Benisede, die gestern andauerten, wurden 13 Regierungssoldaten getötet. „Die Soldaten schießen auf jeden, der sich bewegt“, berichtete ein Bewohner der nigerianischen Tageszeitung Vanguard.
Die Ölkonzerne Total und Agip dementierten gestern, sie seien bereits Ziel von Angriffen gewesen. Die nigerianische Zeitung This Day berichtete gestern, ExxonMobils Nigeriatochter MPN habe an ihren beiden Ölterminals, an denen täglich 550.000 Barrel Öl auf Tanker geladen werden, die höchste Alarmstufe ausgerufen.
Wer die Rebellen genau sind, ist unklar. Als Mend-Führer trat zunächst ein Brutus Etikpaden auf, der in seinen Erklärungen die Freilassung der beiden wichtigsten inhaftierten Ijaw-Politiker verlangte. Der eine ist Dokubo Asari, Führer der Miliz NDPVF (Niger Delta People’s Volunteer Force), der derzeit wegen Hochverrats vor Gericht steht, der andere Dipreye Alamieyeseigha, bis vor kurzem schwerreicher Gouverneur von Nigerias ärmstem Bundesstaat Bayelsa mitten im Niger-Delta und jetzt wegen Geldwäsche angeklagt. Doch am Dienstag hieß es in einer neuen Mend-Erklärung, Etikpaden sei „eine Fiktion“ und man verlange einfach „die Kontrolle über unsere Ressourcen, die wir nur mit Gewalt erringen können“.
Nigerianische Politiker haben die Rebellen kritisiert, aber auch die Ölkonzerne. Shell werde in Nigeria immer noch mit der brutalen Niederschlagung des Ogoni-Aufstands in den Ölgebieten in den 90er-Jahren in Verbindung gebracht, kritisierte der Vorsitzende des Ölausschusses im nigerianischen Parlament, Cairo Ojougbon. „Shell muss anfangen, die Gesetze dieses Landes zu respektieren“, sagte er.
DOMINIC JOHNSON