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Archiv-Artikel

Der Wald kränkelt, der Wein wächst

Resultate des Klimawandels: Wärmere Sommer lassen einheimischen Wein besser gedeihen, bereiten aber der Kartoffel Probleme. Landwirtschaft muss sich umstellen. Weil Pflanzen weniger Kohlendioxid aufnehmen, steigt Temperatur zusätzlich

VON RAFAEL BINKOWSKI

Angesichts des Klimawandels verändern sich die Bedingungen für die Landwirtschaft. Kartoffeln gedeihen schlechter in Deutschland, Rotwein dagegen besser. Und die Erwärmung könnte noch zunehmen. Denn in heißen Sommern wie 2003 bindet die Vegetation weniger Kohlendioxid – was den Treibhauseffekt verstärkt.

Diese Nachricht hat einen Namen: „CarboEurope“. So nennt sich das Forschungsprojekt, das seit zehn Jahren untersucht, wie viel Kohlendioxid (CO2) in Europa von den Ökosystemen gebunden wird. Von deutscher Seite waren das Max-Planck-Institut für Biochemie in Jena, das Potsdamer Institut für Klimafolgen und die TU Dresden federführend.

Die Ergebnisse aus dem Hitzesommer 2003 sind eindeutig: „Das Wachstum der Pflanzen wurde um ein Drittel eingeschränkt“, erklärt Annette Freibauer, Koordinatorin für das Projekt beim Max-Planck-Institut in Jena. Damit sei auch deutlich weniger CO2 gebunden worden. Von einem „Dünger-Effekt“ auf die Pflanzen durch mehr Kohlendioxid, wie ihn manche Forscher erhofft hatten, kann also keine Rede sein.

Um das nachzuweisen, haben die Forscher 80 Mess-Stationen in Europa aufgebaut, auf hohen Bergen wie der Zugspitze, aber ebenso in Tälern. „Es werden sowohl Gase in der Atmosphäre gemessen als auch im Boden“, erklärt Annette Freibauer.

Ein weiterer Effekt wurde festgestellt: Mikroorganismen im Humusboden produzieren zwar wegen der Dürre ebenfalls weniger Kohlendioxid. Weil jedoch die tieferen Schichten feucht bleiben, werden weiterhin mehr Treibhausgase ausgestoßen als die Pflanzen aufnehmen können.

Zur Problemzone sind dabei landwirtschaftliche Äcker mit „Sommerfrüchten“ geworden, zum Beispiel mit Kartoffeln. Die Wälder hingegen sind mit der Hitze besser zurechtgekommen, vor allem die borealen Nadelwälder in Nordeuropa. Freibauers Fazit: „Es wurde 2003 in Europa eine halbe Gigatonne CO2 (500 Millionen Tonnen) weniger gebunden. Das ist ein riesiger Ausreißer in der Statistik.“ Das entspricht etwa 20 Prozent mehr Treibhausgas in der Atmosphäre.

Was bedeutet das nun für Landwirtschaft und Förster? „Man sollte Baumarten wählen, die flexibler auf Trockenheit reagieren“, rät Franz Badeck, der an der Universität Potsdam die langfristigen Folgen des Klimawandels untersucht hat. Damit könne auch Schädlingen vorgebeugt werden. In der Landwirtschaft steige man schon jetzt auf Mais um, der sich bei höheren Temperaturen wohler fühlt.

Und wie sieht es aus mit dem befürchteten „Rückkoppelungseffekt“ – mehr Treibhausgase bedeuten Erwärmung und damit Dürre, die wiederum zu mehr Treibhausgasen führen? Thomas Grünwald vom Institut für Meteorologie der TU Dresden sagt: „Der Klimawandel wird dadurch verstärkt.“ Annette Freibauer warnt hingegen vor voreiligen Schlüssen. „Wir dürfen nicht Klimawandel mit extremen Wetterereignissen gleichsetzen“, beruhigt die Wissenschaftlerin.“

So ganz hilflos scheint die Pflanzenwelt der Hitze auch nicht ausgeliefert zu sein. „Manche Pflanzen haben ihre Vegetationsperiode verändert“, erklärt Thomas Grünwald von der TU Dresden, „das Frühjahr fängt für sie also früher an.“

Und Franz Badeck (Universität Potsdam) hat eine richtig gute Nachricht: „Durch die Erwärmung wird es in Deutschland attraktiver, guten Rotwein anzubauen.“