: Critical Wine
In Italien
Die Kellergewölbe des römischen Forte Prenestino stehen meist leer. Vergangenes Wochenende aber regte sich im Untergrund der alten Festung ungewohntes Leben. Junge Leute mit Rastalocken, Punks und Kiffergrüppchen nippten verschämt an einem Glas Barolo oder Refosco und ließen sich dazu von rund 100 Produzenten Traubensorten und Lagerungsmethoden erklären. Über 10.000 RömerInnen haben die Mauern des Forte gestürmt, um sich bei der Weinmesse „Terra e libertà – Critical Wine“ einen edlen Tropfen zu gönnen.
Die Idee, Jugend- und Weinkultur zusammenzubringen, stammt von Weinpapst Luigi Veronelli. „Viele junge Leute haben die Fähigkeit, schon nach wenigen Schlucken zu begreifen, was ein Wein geben sollte: die Werte und den Geschmack des Bodens, aus dem er kommt“, erklärt er. Veronelli, 78, ist der bekannteste Weinkritiker Italiens und erbitterter Gegner der industriellen Weinproduktion. Das Ziel der Initiatoren von „Terra e libertà – Critical Wine“ ist deshalb – ganz nach dem Prinzip des solidarischen Handels – kleine Produzenten typischer Weinsorten und junge Konsumenten direkt zusammenzubringen. Dies ist ihnen im vergangenen Jahr schon in verschiedenen italienischen Jugendzentren gelungen.
„Terra e libertà – Critical Wine“ ist aber weit mehr als eine alternative Weinmesse. Das Projekt ist eine Bewegung, die in Italien derzeit ebenso viel Aufsehen erregt wie vor einigen Jahren die „Slow Food“-Initiative. Der Trend zur gesunden Ernährung hat jetzt auch die Weintrinker erfasst. Viele junge Leute, die sich keine teuren Edelweine leisten können, sind es leid, Rebverschnitte, Schwefel und Pestizide zu trinken.
„Die Basis unserer Philosophie ist die absolute Transparenz für die Konsumenten“, erklärt Pino Tripodi, einer der Organisatoren von „Terra e libertà – Critical Wine“. Die Winzer, die an der Initiative teilnehmen, sollen künftig auf dem Flaschenetikett ihren eigenen Verkaufspreis angeben und auf die Verarbeitung von Rebresten und den massiven Einsatz von Pestiziden verzichten. „Unsere Idee ist, kleine Winzer zu schützen, indem wir sie beim Verkauf, aber auch bei der Qualitätsverbesserung unterstützen“, so Tripodi. Die nächste Etappe soll Europa sein. Die Initiatoren des „kritischen Weins“ suchen jetzt Mitstreiter in Frankreich und Deutschland.MICHAELA NAMUTH