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Nicht nur small ist beautiful

AUS BONN NICK REIMER

Und dann tauchte plötzlich eine unerwartete Frage auf. Was eigentlich ist erneuerbare Energie? Die Delegierten waren bei der Abstimmung des Deklarationstextes schon weit fortgeschritten, als Syda Bbumba, Ugandas Energieministerin, über eine Fußnote stolperte: Erneuerbare Wasserkraft ist demnach das, was nach den Maßstäben der World Commission on Dams „klein“ ist. „Wir haben große Wasserkraftpotenziale, die wir auch zu nutzen gedenken“, erklärte Bbumba. Große Potenziale, kleine Wasserkraft – das verträgt sich nicht.

Und als dann Lulu Xingwana, die stellvertretende Energieministerin Südafrikas pathetisch erklärte: „Meine Schwester ist vollkommen im Recht“, war er da, der Konflikt. „Man muss das verstehen“, findet Bundesumweltminister Jürgen Trittin. „In Uganda verfügten nur 6 Prozent der 26 Millionen Einwohner über einen Stromanschluss.“ Uganda besitzt aber ausgesprochen viel Wasser. Entsprechend plant man einen Damm zu bauen, der eben größer ist als kleine Wasserkraft – und damit nicht „erneuerbar“, sondern „industriell“.

Der Kompromiss, den schließlich auch Uganda mittragen konnte, steht wieder in einer Fußnote. Als erneuerbare Energiequellen gelten Sonne, Wind, Biomasse, Erdwärme und Wasser. Egal ob groß oder klein. Im Gegenzug verpflichtete sich Uganda, beim Dammprojekt den technischen und ethischen Empfehlungen der World Commission on Dams Rechnung zu tragen.

Nicht, dass die Deklaration von Bonn besonders visionär ist. Konflikte gab es dennoch reichlich. So wehrten sich etwa einige Öl fördernde Staaten bis zuletzt gegen die Formulierung, „erneuerbare Energien sollen langfristig die wichtigste Energiequelle werden“.

In der Tat gehen die eigentlichen Signale von anderen Dingen als der Deklaration aus. Signal eins: der so genannte Aktionsplan. In diesem verpflichten sich Staaten, Banken, Organisationen zu 165 konkreten Projekten. Großbritannien sagt zu, seinen Kohlendioxidausstoß bis 2050 um 60 Prozent zu senken. Die USA verpflichten sich zu einem Forschungsprogramm, durch das Biokraftstoffe wettbewerbsfähig werden.

Alle Zusagen sollen von der UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung überprüft werden, die alljährlich im Frühjahr tagt. Das hat neue Qualität: Freiwillige Verpflichtungen werden völkerrechtlich verbindlich überprüft. Das erste Mal wird dies 2006 geschehen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin: „Ab jetzt sind Multilateralität und Freiwilligkeit keine Gegensätze mehr, sondern passen zusammen.“

Signal Nummer zwei: „Wir werden mehr Forschungsmittel bereitstellen“, erklärte Claude Mandil, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur (IEA). Die Technik sei noch nicht so ausgereift, dass sie überall marktfähig ist. Das könnte der Beginn eines neuen Zeitalters sein: Bislang kümmerte sich die im Zuge der Ölkrise 1973 gegründete Agentur nämlich fast ausschließlich um fossile Energieträger. Jetzt sagt Mandil: „Erneuerbare Energien werden nur dann eine Chance haben, wenn wir die externen Kosten der fossilen oder atomaren Energiegewinnung fair einrechnen.“

Das dritte Signal kommt von den Banken: „Die Zusage der Weltbank ist ein beachtlicher Erfolg“, so Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Um 20 Prozent sollen von nun an die Fördersumme für die Erneuerbaren pro Jahr erhöht werden. 100 Millionen Euro mehr hat auch Global Environment Facility (GEF) zugesagt – ein von den Industrienationen eingerichtetes multilaterales Finanzierungsprogramm.

Für die grüne Michaele Hustedt und ihren SPD-Kollege Hermann Scheer sind nicht die Beschlüsse, sondern „der weltweite Bewusstseinswandel“ das wichtigste Ergebnis der Konferenz. Nach langen Jahren der Marginalisierung seien erneuerbaren Energien jetzt weltweit als Alternative anerkannt worden.

Neu in Bonn war auch der Ansatz, dass Vertreter aus Interessengruppen die gleichen Rechte wie die staatlichen Delegierten hatten. Einer von ihnen war Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher. „Ich kann die ganze Hurrastimmung nicht verstehen“, sagt Peters. „Jeder weiß, dass unser Klima ohne mehr Energieeffizienz nicht zu retten ist. Die Einzigen, die sich hier dafür stark gemacht haben, waren die USA.“

Auch Entwicklungs- und Umweltorganisationen bewerteten den Gipfel unterschiedlich. „Die EU hat eine klare Verhandlungsposition vermissen lassen. Das Ergebnis bringt uns nicht weiter“, erklärte der politische Direktor von Greenpeace International, Steve Sawyer. José Lorenzo Tan, der WWF-Präsident der Philippinen stellte dagegen fest: „Wir haben seit Kioto qualifizierte Vorgaben für den Abbau der Kohlendioxidemission. Jetzt haben wir solche Vorgaben für den Ausbau der der Erneuerbaren. Wir wissen aber alle, dass das nicht ausreicht. Die Uhr tickt.“

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