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Archiv-Artikel

Verfassung kompakt

Wie die Europäische Union künftig regiert werden soll

Die erste Verfassung der Europäischen Union umfasst eine Präambel und vier Teile mit 462 Artikeln.

Die Präambel

Sie beschreibt die Werte, auf die sich die Union der „Bürger und Staaten Europas“ gründet. Anders als von vielen Politikern christlicher Parteien gefordert, verzichtet der Text auf einen Hinweis auf das Christentum. Stattdessen beruft man sich auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen“.

Teil I

In 59 Artikeln werden die Ziele, Zuständigkeiten und Organe der Union definiert. Die wichtigsten Neuerungen im Vergleich zu den bisher geltenden Verträgen betreffen:

■ Die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament.

■ Die Verkleinerung der Kommission auf 15 Mitglieder ab 2009. Das heißt: Nicht mehr jedes Mitgliedsland wird einen eigenen Kommissar stellen.

■ Das Amt eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rats. Er wird von den 25 Regierungschefs für zweieinhalb Jahre gewählt. Seine Amtszeit kann einmal verlängert werden, in seinem Heimatland darf er gleichzeitig kein politisches Amt innehaben.

■ Das Amt eines EU-Außenministers. Er wird vom Rat ernannt. Da er jedoch auch Vizepräsident der Kommission ist, benötigt er für seine Ernennung das Ja des Kommissionspräsidenten.

Diesem Teil angehängt sind zwei Protokolle über die „Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität“ und die „Rolle der nationalen Parlamente“. Insgesamt wird so die Frage, für was die Union und für was die Mitgliedsstaaten zuständig sind, klar geregelt. So gibt es erstens so genannte ausschließliche Zuständigkeiten der EU (etwa bei Handelsfragen). Es folgen zweitens die zwischen EU und Mitgliedsstaaten „geteilten“ Zuständigkeiten (etwa bei Umwelt- und Energiepolitik). Alles, was nicht ausdrücklich in der Verfassung genannt wird, bleibt Aufgabe der Einzelstaaten.

Erstmals erhält die EU eine eigene Rechtspersönlichkeit, was den Abschluss internationaler Verträge erleichtert.

Noch am letzten Tag der Verhandlungen in die Verfassung eingefügt wurde die Möglichkeit zu einem europäischen Bürgerbegehren. Um ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, sind eine Million Unterschriften nötig.

Teil II

Die 54 Artikel der Grundrechtecharta, die bereits beim EU-Gipfel von Nizza 2000 verabschiedet wurde, erhalten jetzt Rechtsverbindlichkeit.

Teil III

Die bereits heute gültigen Verträge von Europäischer Gemeinschaft und Europäischer Union werden im Wesentlichen übernommen. Die 340 Artikel schreiben die Regeln für alle Politikbereiche vom Binnenmarkt bis hin zur Asylpolitik fest. Die wichtigste Änderung betrifft hier die Ausweitung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments von 44 auf 70 Bereiche. Nicht endgültig geklärt ist, bei welchen Themen der Rat künftig mit Mehrheit entscheiden wird und somit das Vetorecht des einzelnen Staates entfällt.

Teil IV

Dieser Teil fällt mit neun Artikeln relativ kurz aus. Wesentlich betroffen sind die Ratifizierung und künftige Änderung der Verfassung. Für Letztere soll auch in Zukunft ein Konvent zuständig sein. SABINE HERRE