piwik no script img

jenni zylka über Sex & LügenW., dom., sucht M.

Auch Kontaktanzeigen lösen das Minijob-Problem nicht – leider

Kontaktanzeigen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Früher haben wir uns bei gelegentlichen „Wenn du einen/eine nehmen müsstest …“-Spielen zweite Bauchnäbel gegiggelt, zugegeben, das ist fies und gemein und kein Mensch kann etwas für Einsamkeit, obwohl, manche doch.

Heute dagegen animieren mich die Anzeigen nur noch zum Aufs-Ohr-Hauen. Die Abkürzungen sind nach wie vor einfach zu begreifen, NR, GV beziehungsweise kein GV, NS, attr., geb., schlk. und so weiter. Wobei ich nicht sicher bin, ob das „geb.“ für „gebildet“, „gebunden“ oder schlicht für „geboren“ steht. Aber anstatt seicht-esoterischer, rotweinschwangerer Kabinettstückchen wie „Suche seelenverwandtes Weib, das mit mir lieben, lachen, leben kann“ oder Fußnägelhochrollern wie „Der Sommer kommt / ich bin allein / ich will so gerne / bei Dir sein / wo bist Du? / Leg ein Bild dazu“ scheinen die meisten Partnersuchenden einfach nur noch ehrlich und bodenständig zu sagen, wie’s ist: „Nette Frau sucht netten Mann.“ Oder, mit der altmodisch-schalen Hoffnung, in Zeiten mit fast fünf Millionen Arbeitslosen (und davon zweieinhalb Millionen LehrerInnen) würde ein Uniabschluss noch irgendetwas bedeuten: „Attr. Akademiker sucht interess. Frau.“ Oder auch, um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, „Devoter M dient dominanter Lacklady“.

Ist auch eigentlich schnuppe. Momentan habe ich keinen Bedarf an Ms, die Ws suchen. Ich bräuchte eher jemanden, der meinen Umzug macht. Mein Umzug ist ungefähr das, was man kleinen Kindern androht, wenn sie nicht artig sind, das, was noch unter der Hölle kommt, wenn man dem Fegefeuer entronnen ist: Bis in alle Ewigkeit meine grabsteinschweren Platten- und Bücherkisten vier Stockwerke hochschleppen, sozusagen. Die vielen SM-Kontaktwünsche haben mich jedoch auf die Idee gebracht, selbst eine Anzeige zu schalten. Auf meinen ersten Versuch, „Nette jg. F., roth., NR wg. Asthm., lässt sich gerne v. robust. Ms den Umzug machen, VH, 4.OG, kein GV“, kam überhaupt keine Zuschrift. Keine einzige. Obwohl ich mir sogar extra eine E-Mail-Adresse eingerichtet hatte, Asthmatikerin@hippiebude.de. Nach Konsultation mit Berufenen änderte ich den Text in „Rasiertes Vollweib, bld., su. geile Muskel-Ms zum Kistenschleppen u. vers. Witze erzählen“. Daraufhin kamen immerhin zwei Antworten, der eine wollte wissen, wo ich denn überall rasiert sei. Als ich ihm zurückmailte, vor allem im Nacken, meldete er sich nicht mehr. Und der zweite wollte erst einmal eine Kostprobe der versauten Witze, mir fiel auf Anhieb natürlich nur so ein olles Klein-Erna-Döneken ein, mit dem man nicht mal meine Großmutter vom Zeichentrickfilmgucken hätte aufschrecken können: „Die Lehrerin fragt Klein Erna, wieso sie zu spät zur Schule kommt. Sagt Klein Erna: Ich musste erst den Bock zur Ziege führen. Sagt die Lehrerin: Wieso kann das nicht dein Papa machen? Sagt Klein Erna: Nee, das muss der Bock machen.“ So richtig etwas reißen konnte ich damit bei dem Mann nicht.

Aber so schnell gebe ich nicht auf. Ich schrieb eine Mail an den Devoten, der gerne einer dominanten Lacklady dienen möchte, und fragte, ob er vielleicht auch einverstanden wäre, wenn eine normalerweise recht freundliche Frau in, sagen wir mal, Regenmantel und gelben Gummihandschuhen ihm Befehle wie „Und jetzt nimmst du Weichei zwei von diesen verdammten Kartons auf einmal!“ oder „Los, trag das schwere Holzregal die Treppen hoch, du Sack Scheiße!“ gäbe. Er mailte mir nicht zurück. Und damit starb auch meine letzte Hoffnung auf Umzugshilfen per Kontaktannoncen.

Nichts gegen Partnersuche per Printmedium, nichts gegen nette Anzeigen mit obsk. Abk.. Ob man nun One-Night-Stands, hundertjährige Pärchenschaften mit Kind, Kegel und Familienauto oder einfach ein paar Kupferstecher zum Saufen sucht – wieso sollte man sich nicht auf dem einfachen, flexiblen Weg anbieten, der den Menschen morgens schwarz auf weiß in die Küche geliefert wird, anstatt ewig und drei Tage auf die richtige Zeit am richtigen Ort in der richtigen Kneipe zu warten. Trotzdem weiß ich aus Erfahrung, und das bitte ich zu bedenken, dass gerade Menschen, die gerne texten und versuchen, einigermaßen amüsant zu schreiben, oft ganz langweilige und öde Schnarchnasen sein können. Ähem, nicht alle, natürlich.

Fragen zu Dominas?kolumne@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen