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Kein Pisa für Jura

Bremens Juristerei verglich sich mit Westdeutschland: Laut Ranking liegt sie im Mittelfeld, schwach schnitt vor allem das Sozialgericht ab

Bremer Juristen sind bundesweit nur Mittelmaß. Das ist das Ergebnis eines „Benchmarking“-Berichts, den Sachverständige gestern an Justizsenator Henning Scherf (SPD) übergaben. Eine 13-köpfige Kommission unter Leitung von Frank Haller vom BAW Institut für Wirtschaftsforschung hatte zwei Jahre lang die Bremer Justizverwaltung mit der in anderen Ländern in Westdeutschland verglichen. Es war der erste „Benchmark“ seiner Art in Deutschland überhaupt, nachdem sich vor einigen Jahren ausschließlich Sozialgerichte in Nordrhein-Westfalen ins Ranking gestürzt hatten.

„Benchmarking – das heißt flächendeckender Vergleich“, erklärte Haller. Und: „Orientierung am jeweils besten – wie in der Bundesliga“. Sein Ergebnis: „Die Bremische Justiz liegt im Mittelfeld“.

Beispiel Bremer Landgericht: Ein Richter erledigt dort 188 Fälle im Jahr – das ist bundesweit Spitze. Dafür benötigen die Richter durchschnittlich jedoch 7,5 Monate pro Fall – in Westdeutschland liegt das Mittel bei 6,7 Monaten. Damit landeten die Landgerichtler nur auf Platz 7.

Ein umgekehrtes Bild bei den Amtsgerichten. Zivilsachen dauern dort im Durchschnitt etwa 4,5 Monate, im Bundesmittel sind es 4,4: das heißt Platz 5. Allerdings erledigen die Amtsrichter „nur“ 639 Fälle pro Jahr – etwas schlechter als der Durchschnitt: Platz 7.

Matthias Strauch, Präsident des Oberverwaltungsgerichtes, besuchte eigens das Verwaltungsgericht in Freiburg, weil dort ein Verfahren nur fünf Monate dauert – in Bremen sind es elf. „Sehr mobil“ seien die Badenser, sagte Strauch. Allerdings gebe es dort auch eine Qualitätskommission und intensive Mitarbeitergespräche. Außerdem könnten sich Beteiligte per Videokonferenz zum Prozess zuschalten. Das findet Strauch auch für das neue Bremer Justizzentrum „interessant“ – Bremerhavener könnten sich so die Fahrt nach Bremen ersparen.

„Man sieht, dass es einen gewissen Bedarf gibt“, kommentierte Monika Paulat vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen das schlechte Ergebnis ihrer Behörde. Dort dauern die Verfahren mit 13,7 Monaten nicht nur ungewöhnlich lange (Platz 9), ein Richter schafft auch nur ein vergleichsweise geringes Pensum (Platz 8). In Mainz hat sie gesehen, woran es liegen könnte: Dort gibt es besonders viele junge Richter.

Nein, das sei keine „Neuauflage von Pisa“, sagte Henning Scherf erleichert. Und: „Das ist ja nicht, wie man das früher nannte, ’ne Sparkommission“. Auf jeden Fall sei es eine „delikate Veranstaltung“ gewesen, Jurisprudenz und Ökonomie in der Kommission unter einen Hut zu bringen.

Wie „delikat“, das wird sich zeigen, wenn die Benchmarking-Ergebnisse eines Tages für anstehende Kürzungen im Ressort herhalten sollten. „Das ist die Gefahr dabei“, meint Peter Lüttringhaus, Vorsitzender des Vereins Bremischer Richter und Staatsanwälte. Eigentlich ist er froh, dass „sich erwiesen hat, dass die Bremer Justiz ordentlich arbeitet.“ Allerdings fürchtet Lüttringhaus Etatzwänge: „Dass da einer meint: ‚Wir sind das Land, das arm ist – dann können wir uns auch eine arme Justiz leisten‘.“

Kai Schöneberg

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