: Die Türkei ist nicht bedroht
Für den „Schutz eines Bündnispartners“ sind die Awacs-Systeme völlig überflüssig
GENF taz ■ „Bündnisverpflichtung zum Schutz des Nato-Partners Türkei vor einer Bedrohung durch Luftangriffe des Irak“, so begründete auch Gerhard Schröders Vorgänger Helmut Kohl vor dem Golfkrieg vom Frühjahr 1991 die Entsendung von Awacs-Systemen mit deutschen Soldaten an Bord. Diese Begründung ist heute noch fadenscheiniger als damals. Die irakische Militärführung hatte damals realistisch eingeschätzt, dass sie in einem Luftkampf gegen US-Maschinen keine Chance gehabt hätte – und parkte daher ihre Luftflotte im Iran, wo sie noch heute vor sich hinrottet. Der im Irak verbliebene Rest der Luftwaffe wurde bereits in den ersten Tagen des Golfkrieges fast vollständig zerstört.
Während des gesamten Golfkrieges unternahm die irakische Luftwaffe nicht einmal auch nur den Versuch, mit einem Kampfflugzeug in den Luftraum der Türkei oder der Nachbarländer Saudi-Arabien, Jordanien oder Syrien einzudringen. Eine Bedrohung des Nato-Partners Türkei war also bereits im Golfkrieg von 1991 nicht gegeben.
Heute ist selbst die theoretische Wahrscheinlichkeit einer solchen Bedrohung der Türkei noch geringer. Denn seit Ende des Golfkrieges überwachen US-amerikanische und britische Kampfflugzeuge die beiden Flugverbotszonen im Norden und Süden des Irak und unterbinden – notfalls durch Abschuss – jegliche Flugbewegung des irakischen Militärs. Seit Frühsommer dieses Jahres gilt dies auch für die Zentralzone um Bagdad. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, dass es der irakischen Luftwaffe gelingen könnte, eines ihrer wenigen noch verbliebenen einsatzfähigen Kampfflugzeuge zu starten und ungehindert bis zur türkischen Grenze zu fliegen.
Daher ist davon auszugehen, dass die Awacs-Systeme mit deutschen Soldaten an Bord in einem künftigen Krieg gegen Irak in noch stärkerem Maße als bereits vor zwölf Jahren keine „defensiven Überwachungsaufgaben“ übernehmen würden, wie Bundeskanzler Schröder erklärt hat, sondern als Funkleitsysteme dienen würden. Das heißt, sie würden den Kampfflugzeugen der USA und anderen an einem Irakkrieg beteiligten Staaten Zieldaten liefern für Angriffe gegen Irak. Das wäre eine aktive Form der Beteiligung deutscher Soldaten an offensiven kriegerischen Maßnahmen. ANDREAS ZUMACH
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