: Kampfsaufen bis die Streife kommt
Darf ein betrunkener Polizist Kollegen als Taxifahrer auf Steuerzahlers Kosten nutzen? Ein Vergewaltigungsprozess gegen einen Polizeibeamten bringt Einblicke in ritualisierte Trinkgelage einer wenig vorbildhaften Polizei
„Der saß in der Ecke und wusste nicht mehr, was los war. Da haben die Kollegen einen Streifenwagen vom Revier kommen lassen, der ihn nach Hause bringt.“ So schilderte gestern die Tresenkraft des „Party-Point“ in der Hannoverschen Straße das Ende einer höchst alkoholhaltigen Feier für einen Polizisten, der jetzt wegen Vergewaltigung einer Kollegin vor dem Amtsgericht angeklagt ist (taz vom 2.12.). Die langjährige Bedienung wirft damit Fragen auf, die die Polizeipressestelle auch ein Jahr nach der folgenreichen „Inspektionsfeier“ vom 22. November letzten Jahres nicht aufklären kann. Etwa die, ob es üblich ist, dass sturzbetrunkene Polizisten sich nach Trinkgelagen im KollegInnenkreis von Beamten im Streifenwagen nach Hause eskortieren lassen und diese – weil das Ziel hinter Achim liegt – dann auf niedersächsischen Polizeifunk umstellen? Oder die Frage danach, ob dieser Fall Konsequenzen hatte? Oder ob der betrunkene Polizist die Kosten für das Behördentaxi schon privat beglichen hat?
„Wir werden im Anschluss an das Verfahren prüfen, ob dienstrechtliche Verstöße vorgelegen haben und diese gegebenenfalls ahnden“, sagte Polizeipressesprecher Ronald Walther. Es gebe verschiedene – nicht näher benannte – Kriterien, anhand derer dies zu prüfen sei. Aber eben nicht vor dem Ende des Vergewaltigungsprozesses, in dem es maßgeblich darum geht, ob die Tat im Vollrausch geschehen sein könnte.
Der Angeklagte, der bereits am nächsten Tag wieder Dienst tat, gibt an, sich an nichts zu erinnern. Gestern wurde jedoch DNA-Spurenmaterial der Frau in seiner Unterwäsche bestätigt. Am Vortag waren wesentliche Verfahrensteile zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden. So insbesondere die Aussagen der Polizistin, der Kolleginnen zur Anzeige geraten hatten. Am gestrigen Verhandlungstag ging es vor allem um die Party-Trinkgewohnheiten des angeklagten Familienvaters wie auch der Nebenklägerin. Dabei wurden süffige Details über die alljährlichen Feiern bekannt, an denen jeweils vier Ost-Reviere komplett teilnehmen – und die Prozessbeteiligte ungeniert „ritualisiertes Kampfsaufen“ nennen.
Schon der äußere Rahmen leistete dem wenig vorbildlichen Verhalten der Beamten Vorschub: Für die Feier letztes Jahr beispielsweise entrichteten rund 30 BeamtInnen aus vier Revieren eine Pauschale von rund 50 Mark pro Person, Gyros und Getränke inklusive. „Sekt um 18 Uhr, dann Hochprozentiges und Begleitgetränke“, vielfach Tequila und Cola mit Korn oder Bacardi. Essen gab es erst gegen 20 Uhr. „30 Schnapsgläschen auf einem Tablett waren im Nu weg“, berichtete die Tresenkraft. „Wir kamen mit dem Einschenken kaum nach“, sagte gestern auch deren Kollegin. Sie hätten den Polizisten X-Mal Nachschub aus dem Keller holen müssen. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen