: Schwuler Bücher-Move
Der Buchladen „Männerschwarm“ beugt sich dem Trend der Hamburger Schwulen und zieht nach St. Georg
In St. Georg hat sich im Lauf der letzten Jahre alles versammelt, was schwul so braucht: von Café und Friseur über die Sauna bis zur Lederbar. Nicht zuletzt fanden immer mehr kaufkräftige Schwule in den aufgeschickten Wohnungen des Viertels ihr Domizil. Nun zieht es auch den Buchladen Männerschwarm ins Bahnhofsviertel: Diesen Sonnabend eröffnet er sein neues Quartier in der Langen Reihe 102, schräg gegenüber dem Café Gnosa. Die bisherigen Räume am Neuen Pferdemarkt, wo der Laden seit seiner Gründung 1981 residierte, bleiben noch bis zum Jahresende geöffnet.
„Die Lange Reihe hat sich gerade tagsüber zu der schwulen Flaniermeile Hamburgs entwickelt“, begründet „Männerschwärmer“ Tobias Völker den Schritt, den Personal wie Stammkundschaft nicht ohne Wehmut vollziehen. „Immer öfter beklagten sich Kunden über den Extra-Weg nach St. Pauli.“ So beschloss man, mit dem Trend zu gehen. Außerdem sind die neuen Räume größer und bieten so auch dem wachsenden, 1992 aus dem Laden hervorgegangenen Verlag „MännerschwarmSkript“ mehr Platz. Um sich nicht selbst Konkurrenz zu machen, wird die Buchabteilung, die der Männerschwarm schon bisher in dem ebenfalls an der Langen Reihe ansässigen Poster- und Postkartenladen Blendwerk unterhielt, stark reduziert.
Im neuen Männerschwarm soll das Angebot der erhofften Laufkundschaft und den veränderten Bedürfnissen entgegenkommen, indem gut gehende Belletristik stärker in den Vordergrund gerückt wird und als Neuerung Videos auch verliehen werden. Gleichzeitig legen die schwulen Buchhändler Wert darauf, weiterhin das ganze Spektrum schwuler Leseinteressen abzudecken und, so Völker, „das Know-how zu pflegen für Dinge, die sonst nirgends zu bekommen sind“.
Die junge Modehusche soll ebenso kompetent bedient werden wie die oder der Queer-Intellektuelle. Dabei werden die schwulenbewegten Wurzeln, aus denen der Männerschwarm vor 21 Jahren entstand und von deren Geist die alten Räume immer noch ein wenig zeugten, auch weiterhin nicht verleugnet – wohl aber unvermeidlich Historie. Jakob Michelsen
Eröffnung: Sonnabend, 10 Uhr, ab 16 Uhr Feier mit Show-Einlagen; Mo., 9.12., 20 Uhr: literarischer Jahresrückblick; Di., 24.12., 14 Uhr: Kaffee und Kuchen in den alten Räumen „zum kollektiven Erinnern und Abweinen“; zwischen Weihnachten und Silvester: Ramschverkauf ebendort; Sa., 28.12., 14 Uhr: Versteigerung der alten Regale
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